Leadership & Karriere „Die Hälfte der Bürgergeldempfänger ist schwierig zu vermitteln“

„Die Hälfte der Bürgergeldempfänger ist schwierig zu vermitteln“

Stellen sie fest, dass der Anreiz zu arbeiten, durch das höhere Bürgergeld sinkt?

Arbeitgeber sagen uns, es gibt Menschen, die bewerben sich gar nicht erst oder sagen, dass Bürgergeld für sie lukrativer ist. Vielen Familien zum Beispiel mit vielen Kindern oder Alleinerziehende, die in Bedarfsgemeinschaften leben, gelingt es oft nicht, auch wenn sie einen Job finden, aus dem Bürgergeld-System herauszukommen. Dieser Personenkreis ist bereits vor der Erhöhung kein unerheblicher in unserem Bestand. Oder die Familien müssen andere staatliche Leistungen beantragen. Dazu lässt sich im Niedriglohnsektor allein oft einfach nicht genug verdienen, um ganz ohne staatliche Leistungen zu leben. Durch einen Job aus dem System zu kommen, gelingt meist Singles, die nur sich selbst versorgen müssen.

Jetzt sollen die Sanktionen wieder verschärft werden. Wer sich nirgends bewirbt, soll weniger Geld erhalten. Spüren Sie davon etwas?

Wir wissen, dass sich was ändern soll. Der Gesetzentwurf liegt uns vor. Ab wann dieser konkret in Kraft tritt, wissen wir noch nicht. Mit jeder gesetzlichen Änderung müssen wir auf jeden Fall unsere internen Verfahren wie etwa die Bescheide überprüfen, Schulungen planen und die Software muss angepasst werden. Leistungsminderungen umzusetzen, ist generell ein sehr langwieriges und aufwendiges Verwaltungsverfahren. Ob die gewünschten Ergebnisse in den Einsparungen mit der Verschärfung eintreten werden, bleibt abzuwarten. 

Was ist also ihre Strategie?

Wir konzentrieren uns auch maßnahmenseitig zunächst auf die Menschen, die mitmachen. Damit erzielen wir den meisten Erfolg und erreichen so besser unsere vereinbarten Ziele, gerade in Bezug auf den Wegfall oder die Reduzierung von Bürgergeldleistungen. 

Wer sind die, die nicht mitmachen? 

Es gibt Bürgergeldempfänger, die schon ganz lange in dem System sind. 4 Jahre und länger, sogenannte Längstzeitleistungsbeziehende. Ob diese Menschen arbeiten wollen oder nicht, kann man gar nicht pauschal sagen. Oft ist es gar nicht mehr möglich, sie auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen. Sie haben meist viele Probleme auf einmal: Schulden, Sucht, eine angeschlagene Gesundheit, eine labile Psyche, fehlende verwertbare Kenntnisse, Einschränkungen in der Mobilität. 

Wieviele sind das in Ihrem Bezirk?

Wir sind ein überschaubar großer Landkreis und haben rund 3300 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Etwa 1750 Personen davon sind im Langzeitleistungsbezug, das heißt sie sind mehr als 21 Monate ohne Arbeit. Davon stecken 37 Prozent in der sogenannten Längstzeitbetreuung, sie sind also 4 Jahre und mehr arbeitslos. Vermittlung ist hier oft sehr schwierig, hier geht es häufig darum zu prüfen, ob noch Erwerbsfähigkeit vorliegt oder andere Leistungsträger wie Rententräger oder Sozialhilfeträger zuständig sind. Die Wahrscheinlichkeit, eine Arbeit zu finden, wird geringer, je länger die Arbeitslosigkeit anhält. Inzwischen – und das ist demografisch bedingt – verabschieden sich viele aus diesem System, in dem sie in die Altersrente gehen. Die fällt dann aber wieder so gering aus, dass sie erneut einen Antrag auf Grundsicherung aufstockend im Sozialamt stellen müssen.

Arbeitsminister Hubertus Heil will den Schwerpunkt in diesem Jahr auf Vermittlung statt Qualifizierung legen. Was bedeutet das für Sie?

Nach Vorgabe des Bundes arbeiten wir derzeit an der Umsetzung des Jobturbos. Jetzt prüfen wir aktuell, welche Abläufe wir in der Integrationsarbeit noch optimieren können, um besser zu werden bei den Vermittlungen auf dem 1. Arbeitsmarkt. Qualifizierungsmaßnahmen sind und waren immer ein Thema. Die Weiterbildungsfähigkeit bzw. der Wunsch nach einer Weiterbildung sind bei vielen Personen schlicht nicht in dem Umfang vorhanden, wie man es sich für den Arbeitsmarkt wünschen könnte. Viele wollen einfach arbeiten, das ist auch unsere Wahrnehmung.

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