Productivity & New Work Vier-Tage-Woche: „Nur Zeit aus unserem Pensum zu streichen, ist völlig unrealistisch“

Vier-Tage-Woche: „Nur Zeit aus unserem Pensum zu streichen, ist völlig unrealistisch“

Wo gibt es schon überall die Vier-Tage-Woche? In welchen Ländern? In welchen Firmen? Macht die Vier-Tage-Woche produktiver? Welches Modell ist am besten? Man merkt: Die Vier-Tage-Woche ist ein Dauerbrenner in der Arbeitswelt und wird viel diskutiert. Tobias Hagenau, Gründer von dem Workmanagement-Tool Awork, hat eine These, wie die Vier-Tage-Woche funktionieren kann: mit dem Einsatz von KI-Tools.

Tobias, alle reden wie selbstverständlich davon, aber was ist denn die Vier-Tage-Woche? 

Auf diese Frage gibt es keine Antwort, weil es mehrere verschiedene Vier-Tage-Wochen gibt. Das kommt stark auf das Team und auf das Unternehmen an. Ist die Rede von weniger Einsatz jedes Teammitglieds, dann wäre Jobsharing eine Option für eine Vier-Tage-Woche oder mehr Menschen einzustellen. Letzteres können sich viele Firmen momentan aber nicht leisten. 

Ich habe in einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung gelesen, dass sich 81 Prozent der Vollzeitbeschäftigten eine Vier-Tage-Woche wünschen, die anderen 17 Prozent haben sich dagegen ausgesprochen. Wie stehst du dazu? 

Die Fragen in diesen Studien sind im Moment noch super explorativ. Wenn nur gefragt wird, ob die Menschen vier Tage arbeiten wollen, sagen sie erstmal ja. Der Gedanke liegt nahe, dass man glücklicher in seinem Leben ist, wenn man nur vier Tage die Woche arbeitet. Interessant ist, ob sich die Antwort ändert, wenn die Arbeitskonditionen und Rahmenbedingungen hinzukommen. 

„Dafür brauchen wir KI, die wir in den Arbeitsalltag integrieren“

Tobias Hagenau

Vier-Tage-Woche klingt auf jeden Fall verlockend. 

Für mich selbst wäre die Vier-Tage-Woche aber ein Problem. Ich bin dabei, ein Team und eine Company aufzubauen. Auch wenn man richtig reinhaut, schafft man in vier Tagen weniger als in fünf. 

Wenn wir als Gesellschaft am Ende aber mit einer Vier-Tage-Woche glücklicher sind, besser funktionieren und trotzdem die Sachen erreichen können, die wir erreichen wollen, dann haben wir nur gewonnen. Aber der Knackpunkt ist, dass keiner weiß, wie das eigentlich funktionieren soll. 

Du hast schon gesagt, dass sich viele nicht leisten können, mehr Leute einzustellen, um eine Vier-Tage-Woche realisieren zu können. Als Gründer von einem Workmanagement-Tool ist deine These, dass wir dafür KI brauchen. Kannst du das näher ausführen? 

Wenn wir bei der Vier-Tage-Woche einen Tag weniger arbeiten, müssen wir irgendwo acht Stunden herbekommen. Dafür brauchen wir KI, die wir in den Arbeitsalltag integrieren. Zum Beispiel bei der Organisation. In vielen Teams ist die einfach schlecht. Wir verschwenden viel Zeit durch Leerläufe, schlecht organisierte Kalender und durch aufwendige Kommunikation. So banal das klingt, aber Menschen sind notorisch schlecht darin, ihre Kalender zu pflegen. Auch Aufgaben, die wir im Autopilot abarbeiten, können von einer KI übernommen werden. 

Wie sieht eine perfekt organisierte Vier-Tage-Woche mit KI aus? 

Die perfekt organisierte Vier-Tage-Woche fängt damit an, dass man einen Blick in den Kalender wirft und alles, was in dieser Woche passiert, perfekt aufeinander aufgebaut ist. Vor allem inhaltlich, damit man nicht gedanklich zwischen verschiedenen Themen hin und her springen muss. Meetings sind so gelegt, dass man möglichst lange mit den gleichen Leuten zusammenarbeitet, bevor man in den nächsten Kontext wechselt. 

Und wahrscheinlich wird mir die perfekt organisierte KI-Vier-Tage-Woche am Ende der Woche eine schöne Zusammenfassung meiner Achievements und Erlebnisse zusammenstellen, mit Vorausschau auf die nächste Woche. 

Aus der Studie der Hans-Böckler-Stiftung geht auch hervor, dass  diejenigen, die die Vier-Tage-Woche ablehnen, befürchten, für ihre Kolleg:innen einspringen zu müssen.

Das ist eigentlich das gleiche Problem wie bei der Urlaubsvertretung. Dass man für andere einspringen muss, ist dann relevant, wenn das Arbeitspensum gleich bleibt. Der Weg, nur Zeit aus unserem Pensum zu streichen, ist völlig unrealistisch. 

Wir haben bei Awork vor sechs Jahren intern ein Experiment gemacht, aber mit dem Fünf-Stunden-Tag. Das Ergebnis des Experiments war: Kann man machen, man muss dann aber fünf Stunden lang so richtig reinhauen, als hätte man einfach den vollsten Tag der Welt. Zwei Leute aus dem Team haben es geliebt, die Mehrheit fand es schrecklich. 

Der zweite Grund, weshalb Menschen gegen eine Vier-Tage-Woche sind, ist die Befürchtung, dass das ihre Karriere ausbremst. 

Das kommt durch die typische Angst vor Konkurrenz, wenn nicht alle eine Vier-Tage-Woche haben, sondern nur wenige Leute im Team. Die, die fünf Tage arbeiten, schaffen mehr und kommen schneller voran. Da gibt es auch kein Gegenargument dafür. Das ist heute schon so. Viele, die im Job krass getrieben sind oder unter großem Druck stehen, arbeiten 50 oder 60 Stunden und nicht 40. In genügend Branchen ist das Usus.

Wie ist der Status-Quo bei KI-Tools? 

Es gibt typische Orga-Tools, die sind aus meiner Sicht aber dreierlei, weil jedes Team, das sich organisiert, je ein verschiedenes Tools benutzt für Kommunikation, Organisation und Wissensspeicherung. In allen gibt es KI-Anwendungsfälle. 

„Wir brauchen viel Verifizierungs-Technologie“

Tobias Hagenau

Hast du ein Beispiel?

Google hat mittlerweile eine Important-E-Mail-Inbox, in der alle Mails landen, die wichtig sind. Was auch immer das für Google bedeutet. Es gibt auch schon Kalender-Tools, bei denen man der KI zum Beispiel sagen kann, welche Termine verschiebbar sind. Bei der Dokumentation gibt es ja schon viele Tools, um Informationen zu aggregieren. 

Der richtige Durchbruch wird erst dann kommen, wenn ein Tool alle drei Bereiche abdecken und kombinieren kann. Erst dann spüren wir die Erleichterung im Arbeitsalltag. 

Wie ist das denn hierzulande, wir Deutschen sind ja eher skeptisch, was KI angeht. 

Durch die viele Berichterstattung zu Open AI, die zurecht darauf hingewiesen hat, dass es nur ein Sprachmodell und kein Wissensmodell ist, sitzt bei vielen tief, dass KI einen auch ohne bösen Willen anlügen kann. Deswegen brauchen wir viel Verifizierungs-Technologie. Eine Art Stiftung Warentest für KI oder ein Scoring-System. 

Wie viel KI nutzt du in deinem Arbeitstag?

Täglich. Zum Beispiel fürs Programmieren von Codes. Gerade in der Programmierwelt ist es omnipräsent und die Kopiloten-Varianten so mächtig, es wäre Quatsch, sie nicht zu benutzen. Für einfache Recherchen ChatGPT, für Artikel lasse ich mir Gliederung, Drafts und Hintergrundinformationen kurz zusammenschreiben. Auch Zusammenfassungen von langen Chat-Verläufen zu Projekten lasse ich mir erstellen, damit ich schnell einen Überblick bekomme. Im Marketing viel für die Inspiration und Generierung von Bildern. 

Was kommt in Zukunft, was denkst du?

Wir werden viel darüber lernen, wie wir das Internet neu nutzen. ChatGPT ist ja im Grunde auch nur ein anderes Interface fürs Internet und ich glaube, da werden wir eine Interface-Evolution erleben, wie wir mit der Datenwelt des Internets interagieren können.

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