Life & Style Musikerin Ela: „Meine Mama sagt: Nur wer mutig ist, trinkt am Ende Champagner“

Musikerin Ela: „Meine Mama sagt: Nur wer mutig ist, trinkt am Ende Champagner“

Bunt, bunter, Ela: Die Musikerin sprüht nur so vor Lebensfreude. Ein Gespräch über Mut, Halt in der Familie und künstliche Intelligenz in der Musik.

Ela, du bist in der Ukraine geboren, mit acht Jahren nach Deutschland gekommen und hast dich hier als Musikerin etabliert. Wie sah der Start in der Musik aus?

Meine Eltern waren Musiker, mein leiblicher Vater Gitarrist und meine Mama Opernsängerin. Wir waren ein kreativer Haushalt, standen in der Ukraine schon viel auf der Bühne. Es gab nichts anderes. Ich wusste immer, dass ich mal Sängerin werde.

Und in deinen Songtexten arbeitest du deine Lebensgeschichte auf.

Ich kann nicht anders. Alles, was ich für mich schreibe, ist biografisch. Diese Aufarbeitung kostet sehr viel Kraft und Nerven. Musik war schon immer der Weg, um mich auszudrücken und Dinge zu verarbeiten. Sie ist immer da, egal wie schwer es ist oder war.

Auf deinem neuen Album „Es ist immer jemand wach“ findet sich ein Track mit ukrainischen Künstlerinnen. Wann ist der Song entstanden?

Als der Krieg begann, habe ich natürlich versucht, Zeichen zu setzen. Mit Sachspenden und Konzerten. Irgendwann kamen die Mädels dann auf mich zu. Wir wollten zeigen, dass ukrainische Seelen europaweit verteilt sind und unterschiedliche Sprachen miteinander verbinden. Wir zelebrieren unsere Wurzeln. Diesen Song zu schreiben war magisch, weil es nicht darum ging, einen Hit zu schreiben.

Das Lied heißt „Ablaufdatum“. Wofür steht der Titel?

Ich finde diesen Gedanken so spannend: Jede gottverdammte Dose hat ein Ablaufdatum. Aber das, was bleibt, sind die Kunst, die Kultur, die Liebe zu so vielen Dingen. Das haben wir in dem Song verarbeitet. Wir sind immer noch da. Alles hat ein Ablaufdatum, aber wir bleiben.

Eine volle Ladung Gefühle in 17 Songs
„Es ist immer jemand wach“ (18.8.2023)

Wer ist im Leben dein größtes Vorbild?

Meine Mama. Sie ist die krasseste Frau auf dem ganzen Planeten. Sie hat mir gezeigt, die Proben des Lebens anzunehmen und daran zu wachsen. Auch musikalisch hat sie mich sehr geprägt. Sie hat mir viele Skills beigebracht, mich immer an die Hand genommen.

Macht sie das heute auch noch?

Na klar. Wir sind immer ehrlich zueinander, egal wie hart es manchmal ist. Genau das schätze ich an ihr sehr.

Zu welchen Musikschaffenden blickst du noch auf?

Aufblicken finde ich schwierig. Es gibt viele, die mich inspirieren. Ich habe mit Herbert Grönemeyer Deutsch gelernt, durch meinen Stiefpapa, der seine Musik zu Hause hoch- und runterlaufen ließ. Queen war auch immer ein großes Thema. Madonna, Pink, Sia, Lady Gaga. Es gibt viele gute Künstlerinnen. Frauen, die sich in der Industrie durchgesetzt haben.

Auch 2023 ist die Musikindustrie noch männerdominiert. Wie lautet dein Appell an die Branche?

Lasst uns Sichtbarkeit für Künstlerinnen schaffen und ihnen neue Plattformen geben. Aus meiner Perspektive sind gerade TV und Radio schwierig geworden. Über das Booking muss ich gar nicht erst anfangen zu reden. Auf den Festivals spielen so wenig Frauen. Natürlich geht es um Wirtschaftlichkeit: immer weiter, höher, schneller. Aber je mehr Plattformen es gibt, desto mehr Menschen kann man dadurch inspirieren. Nur so kommt es zur Kettenreaktion.

Du möchtest gerade deinen eigenen Verlag gründen. Was treibt dich dazu an?

Ich bin schon sehr lange Songwriterin. Das Wichtigste an diesem Dasein ist das Netzwerk. Sich mit coolen Leuten connecten und zusammenarbeiten. Ich habe mir über die Jahre ein großes Netzwerk erarbeitet. Es ist schön zu sehen, dass sich die harte Arbeit gelohnt hat. Es erfüllt mich, weil so viele Künstlerinnen von außen auf mich zukommen und fragen: Hey, hättest du Bock, mit mir zu schreiben?

Das ist ein mutiger Schritt.

Ich will mich unabhängig machen. Ich möchte junge Frauen, diverse Gruppen supporten und meinen Verlag immer weiter wachsen lassen. Es gibt wenig Frauen, die sich trauen, einen eigenen Verlag zu gründen. Ich will der Industrie zeigen, dass es auch anders sein kann. Meine Mama hat mal einen großartigen Satz gebracht: Nur wer mutig ist, trinkt am Ende Champagner.

Einfach gefragt: Was bedeutet Unabhängigkeit für dich?

Grenzenlose Freiheit. Ob ich jetzt als Songwriterin selbst entscheiden kann, mit wem ich arbeite, oder ob ich als Künstlerin frei entscheiden kann, wie ich arbeite. Ohne Druck von der wirtschaftlichen Seite aus erfahren zu müssen.

Glaubst du, in der heutigen, turbulenten Wirtschaftssituation ist es ein guter Zeitpunkt, um selbst Musik zu veröffentlichen?

Die Musikindustrie ist ein Glücksspiel. Manchmal haben wir in der Hand, was funktioniert, manchmal gar nicht. Das Schöne an der heutigen Zeit ist, dass immer mehr Leute da draußen entscheiden, welche Musik sie hören wollen, über die ganzen Streamingkanäle. Heute ist die schönste Zeit, um selbstständig Musik zu veröffentlichen, weil man nicht mehr abhängig von irgendwelchen großen Konzernen ist.

Umso schwieriger ist es allerdings heute, als Newcomer mit Musik Geld zu machen.

Das ist Fakt, man kann es auch auf der Gema-Seite mal ausrechnen. Nehmen wir an, ich schreibe mit zwei anderen Leuten – jeweils mit Verlag – einen Song. Bei einer Million Streams kriegt jede Person 150 Euro. Davon werden noch Steuern und Co. abgezogen. Da bleiben 80 Euro für eine Million Streams. Das ist nichts. Deswegen verstehe ich, warum immer mehr Künstlerinnen Kooperationen mit Brands machen.

Bleiben wir beim Thema Urheberrecht: Künstliche Intelligenz ist bereits in der Musikbranche angekommen. Müssen Künstlerinnen und Künstler sich davor in Acht nehmen?

Alle haben gerade Panik bezüglich KI. Ich bin da ein bisschen zwiegespalten. Ich denke mir, es kann uns krasse Möglichkeiten eröffnen. Stell dir vor, ich kann irgendwann meiner KI erzählen, wie ich mir einen Song vorstelle, und dann produziere ich den mit ihr zusammen. Wie cool ist das denn bitte? Andererseits basiert diese KI quasi auf meinen Urheberrechten. Wie werden diese dann verteilt? Das ist ein Mammutprojekt.

Verstecken kann man sich davor jedenfalls nicht.

Ich muss an ein Zitat von Stromberg denken: Wer nicht mit der Zeit geht, der muss mit der Zeit gehen. Das klingt irgendwie crazy. Aber leider sind wir davon nicht so weit weg.

Inwieweit können sich Musikerinnen und Musiker für die Zukunft breiter aufstellen?

Über das Influencer-Dasein zum Beispiel. Oder als Künstlerin für andere schreiben, in der Plattenfirma sein und dazu noch Artist. Es gibt viele Modelle, weil man nur vom Songwriting nicht leben kann. Es sei denn, man kommt von der alten Schule, wo noch wirklich Alben verkauft werden, und man ballert die ganze Zeit krasse Hits. Aber das wird ja auch immer weniger.

Was sollte jeder Einzelne tun, um Musikerinnen und Musiker zu supporten?

Geht auf Konzerte, kauft Produkte, streamt, was das Zeug hält. Sonst wird es das alles so nicht mehr lange geben. Kein Wunder, dass auch bei den großen Artists die Tickets einfach teurer geworden sind. Die Kosten drumherum: die Nightliner, das Licht, der Strom, alles ist teurer geworden. Wie soll man da den Preis halten? Ich freue mich, wenn ich bei meiner Tour bei null rauskomme. Das klingt verrückt. Aber ich will mein Team fair bezahlen.

Abgesehen vom Faktor Geld: Woran misst du Erfolg?

Jeder definiert Erfolg anders. Ich versuche immer, in kleinen Schritten zu denken, und freue mich, wenn ich einen Schritt weiterkomme. Dabei bin ich dankbar für jeden Menschen da draußen, der bereit ist, mit mir diesen Weg zu gehen. Als Künstlerin und vor allem auch als Songwriterin wahrgenommen zu werden bedeutet einen hartnäckigen, langen Weg und einen langen Atem. Wenn man es schafft, über diese Zeit weiterzuwachsen, ist das Erfolg für mich.

Abgesehen von der Musik: Hast du noch einen anderen großen Traum?

Ich liebe den „Tatort“. Als Teenie durfte ich den zusammen mit meinem Stiefpapa gucken. Das war für mich schon immer ein Stück deutsche Kultur. Ich bin im Saarland aufgewachsen. Es wäre so toll, mal in einem saarländischen „Tatort“ mitzuspielen. Das klingt vielleicht albern, aber es wäre ein ganz spannendes Projekt für mich.

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