Innovation & Future Was ist „Bodenpolitik“ und wie senkt sie deine Miete?

Was ist „Bodenpolitik“ und wie senkt sie deine Miete?

Ist schlauere Bodenpolitik der Schlüssel, der die Wohnungskrise lösen hilft? Forscherin Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik erklärt den Ansatz.

Foto: Anette Koroll

Frau Pätzold, Bodenpolitik – wenn man den Begriff hört, klingt das ein wenig kryptisch.

In der Verwaltungssprache heißt es auch eher Liegenschaftspolitik. Bodenpolitik ist dann das Drehen am ganz großen Rad. Da kommt mehr Philosophie ins Spiel. Es geht in der Stadtentwicklung um die Verfügbarkeit von Land, um das Recht der Gestaltung von Boden. Also wenn jetzt jemand eine Immobilie kauft und dafür 5 Mio. Euro bezahlt, dann bezahlt er die meist nicht, weil der Hochbau so viel wert ist. Sondern er bezahlt damit das Recht, auf einem Stück Land in der Stadt etwas zu gestalten.

Immer wieder gab es namhafte Fürsprecher:innen von Reformen: von Hans-Jochen Vogel bis Gustav Heinemann. Trotzdem blieb Bodenpolitik ein Nischenthema.

Das ist erstaunlich, ja. Irgendwann wurde diese irreführende Narration aufgebaut: Das ist alles wahnsinnig kompliziert, und das versteht niemand. Und deswegen redet man über Wohnungspolitik, über Wirtschaftspolitik, man redet über Klima und Ernährung und so weiter. Aber die Basis von all dem ist ja die begrenzte Ressource Boden.

Die Grundidee ist: Boden ist eine begrenzte Ressource. Warum sollte jemand damit so viel Geld machen können?

Genau. Ist er eine Ressource wie jede andere oder eben nicht? Beim Wasser haben wir die gleiche Debatte. Es gibt das sogenannte Bodenpreisgebirge: An einigen Orten, besonders in Stadtzentren, sind die höchsten Erträge möglich und auch die Preise am höchsten. Boden und Eigentum sind ganz eng miteinander verknüpft. Wann immer jemand an den Regeln etwas ändert, sieht sie oder er sich mit wohlfeilen Sozialismusvorwürfen konfrontiert. Bodenreform, das klingt vielen nach Enteignung und Kommunismus.

Das ist natürlich Quatsch. Aber was konkret könnten Reformen in der Bodenpolitik denn jetzt ändern?

Wenn wir vor 20 Jahren angesetzt hätten, dann stünden wir jetzt viel besser da. Es gab nicht diesen enormen Investitionsdruck. Die vielen Wohnungen der öffentlichen Immobilienunternehmen hätte man nicht privatisieren dürfen. Und wir müssen wissen, wem die Immobilien überhaupt gehören. Früher war es einfacher festzustellen. Heute muss man sich durch endlose Daten kämpfen. Aber in den zwei Jahrzehnten ist vor allem viel Geld in Immobilien angelegt worden – Betongold eben. Und damit ist der Widerstand noch größer. Auch der Lobbyismus greift um sich.

Das klingt ein wenig so, als wäre es jetzt schon zu spät.

Es sind auch gute Ideen umgesetzt worden. Wie die der kooperativen Baulandmodelle. Das funktioniert so: Wenn ein Stück Land vom Acker zum Wohngebiet wird, dann muss der Staat viel investieren. Die Grundstücke vervielfachen ihren Wert. Nur weil der Staat sie erschließt. Das kann man als leistungslosen Gewinn bezeichnen. Damit das nicht nur den Eigentümern des Bodens zugutekommt, müssen sie etwas dafür zurückgeben. Das passiert aber nicht in Form von Geldkoffern. Sondern so, dass sich die Investoren etwa an den Erschließungskosten beteiligen. Und dass sie Vorgaben für sozialen Wohnungsbau einhalten. Die Idee kam aus München, das machen heute aber auch Berlin und viele andere Städte. Es ist kein wirklicher Planungswertausgleich, aber eine Möglichkeit, städtischen Zielen auf privaten Flächen Geltung zu verschaffen.

Dieses Werkzeug betrifft also eher Randgebiete und nicht die Lagen in Berlin-Mitte oder im Zentrum von München?

Wenn es ein Planungserfordernis gibt, dann schon. Das ist aber nur der Fall, wenn sich die Bebauung deutlich von der Umgebung unterscheidet. Also selten. Es ist kleinteilig und aufwendig, aber die einzige Möglichkeit, in den Bestandsquartieren einzugreifen.

Abschließend ein weiteres Aufregerthema: Was halten Sie von Enteignungen großer Immobilienkonzerne?

Die Gretchenfrage beim Enteignen ist: Wie viel muss ich bezahlen, wenn ich enteigne? Was die Konzerne damals dafür ausgegeben haben? Oder den heutigen Marktwert? Eher letzteren, damit es nicht den Superaufstand dagegen gibt. Ich kaufe also teuer Wohnungen, um sie günstig zu vermieten. Dann muss man noch viele davon sanieren. Am besten wäre gewesen, man hätte diese öffentlichen Wohnungen nicht privatisiert – aber hinterher ist man oft schlauer.

Da ist das Ding! Dieses Mal dreht sich in unserem Dossier alles um das Thema Immobilien und den Traum vom Eigenheim. Außerdem haben wir Netflix-Showrunnerin Anna Winger getroffen und die Brüder Ahmed und Mike Chaer, die deutsches Wrestling groß machen wollen. Viel Spaß beim Lesen! Hier gibt es das Magazin zum Bestellen.

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