Life & Style Ardi Goldman: Frankfurts Immo-Innovator im Interview

Ardi Goldman: Frankfurts Immo-Innovator im Interview

Er war Mister Hollywood in Mainhattan und saß kurzzeitig in Haft: Ardi Goldman über den Abriss der Frankfurter Einkaufsmeile Zeil und neue Ideen für unsere Städte.

Herr Goldman, wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit als Immobilienentwickler vor?

Bei mir ist das Prinzip „Bauen, vermieten, betreiben“. An mir ist kein Spekulant verloren gegangen. Kein „Kaufen, entwickeln, weiterverkaufen“. In mir sind immer Schaffensdrang und die Verantwortung gegenüber einer Stadt. Ich bin von der Immobilienentwicklung über die Jahre auch in die Betreiberrolle reingewachsen, angefangen habe ich mit Büros.

Mussten Sie sich das Betreiben aneignen?

Ja, weil ich ein Weltenbummler bin und vieles in anderen Ländern gesehen habe, was hier fehlt. So lernt man das Entwickeln von der Seite des Nutzers kennen, und damit habe ich angefangen, Restaurants, Clubs, Hotels, Einzelhandel und Logistik zu entwickeln. Mein Markenzeichen war Multi-Tenant-Vermietung.

Das bedeutet, ein Gebäude an viele Firmen zu vermieten, die im mittelgroßen Segment sind. Da ich die Vermietung auch noch selber gemacht habe, lernte ich mit jeder Neuvermietung etwas dazu. Weil sich die Firmenkultur in den letzten 30 Jahren extrem gewandelt hat und es weiter tut.

Hoher Workload?

Frag mich nicht, wann ich geschlafen habe. Ich habe den Tag gelebt und die Nacht. Bestimmt 30 Jahre lang habe ich in Frankfurt, Berlin, Wien und vielen anderen Städten die Konzepte für Clubs gemacht, für Einzelhandel, Gastronomie. Ich schaffe Lebensräume.

Sie sagten mal, die Zeil in Frankfurt müsste man abreißen.

Erst mal die Zeil! Und dann diese furchtbare Friedrichstraße in Berlin. Schlechte Architektur ist die größte Beleidigung der Menschen. Sie schafft keine städtische Qualität, keine Sinnlichkeit. Investorenarchitektur kannst du nicht im Museum verstecken wie Kunst, die man sich nicht anschauen will.

Guck dir die Friedrichstraße mal vor 100 Jahren an. Oder die Zeil vor 100 Jahren mit den Jugendstilhäusern. Und dann heute … Kein Wunder, dass es nicht funktioniert. Keine lebenswerten Bauten!

Sie haben aus historischen Bauten Neues entwickelt. Das Union-Areal zum Beispiel war früher eine Brauerei.

Ich kann aus jedem Baustil etwas machen. Auch die Fünfziger und Sechziger hatten gute Sachen. Nur sind sie empfindlich. Wenn du da die filigranen Fenster rausnimmst, dünne Stahltüren und alles durch dicke Plastikfenster ersetzt, ist das ganze Ding kaputt. Es gibt einen Frankfurter Spruch aus dem tiefsten Bornheim: Aus einer Schwarzwurzel kannst du keine Ananas machen.

Sie waren der kreative Kopf hinter den 25hours-Hotels und haben in Frankfurt berühmte Orte des Nachtlebens entwickelt.

Solche Lebensräume haben mir in Frankfurt gefehlt. Um nur einige zu nennen: das Cocoon, das King Kamehameha, das L.O.F.T. House, die Sansibar. Ich bin hier aufgewachsen mit elektronischer Musik. Bin dieselbe Generation wie Sven Väth.

Zuletzt haben Sie einen Club namens „Fortuna Irgendwo – Heilanstalt für Gemüts- und Nervenkranke“ eröffnet. Da hängt ein Plakat, auf dem viele Gruppen stehen …

… alle außer die Faschisten. Die haben bei mir keinen Zutritt.

Einen Satz bitte zu Anarchisten …

Peter Pan und die RAF, weil sie die Welt verändern wollten.

Kapitalisten …

Nur wer hat, kann geben. Kapital kann Kunst und Kunst zum Kapital werden.

Hedonisten …

Das ist Oscar Wilde, ein Mensch, der Luxus liebt, schöne Kleider, gute Manieren und ein freier Geist, auf dessen Landkarte Utopia zu finden ist.

… und zu Kommunisten, bitte.

Der Kommunismus war ein Traum von Marx und Trotzki, und der wurde umgebracht. Umsetzen ist immer schwieriger als Träumen. Aber der wichtigste Satz für mich: Kommunisten, das waren die Russen, und die haben uns von Auschwitz befreit.

Später ging es für Sie in Berlin weiter, das Frankfurt als Technometropole beerbte.

An dieser Frage scheiden sich die Geister. Techno wurde gleichzeitig in Berlin und Frankfurt geboren. In Frankfurt kam die Szene eher aus dem Hedonismusmilieu, in Berlin aus der Subkultur. Ich bin nach dem Mauerfall nach Berlin gegangen, für drei Jahre. Ich musste dann wieder weg, weil ich sonst gestorben wäre. Sieben Tage die Woche ausgehen und sieben Tage arbeiten, das geht nicht gut.

Was war der beste Club in Berlin?

Ich habe das 90 Grad geliebt. Ich war natürlich auch im ersten WMF, im Tresor und im Kitkat-Club. Nicht die komischen Ku’damm-Geschichten, nicht Annabelle, nicht das First, die Sachen für die Dahlemer und Grunewalder Weißsockenträger. Ich kam aus Frankfurt, also nicht arm, aber sexy, sondern reich und sexy.

Mein tollstes Erlebnis war in der Macht der Nacht in Weißensee, einer Off-Location in alten Hallen. Die Betreiber, die gehörten zu einer kreativen Kommune aus der Nähe der Hackeschen Höfe. Das war wie eine Dystopie, feuerspuckende Stahlmänner empfingen dich. Postpunk gemischt mit Technobeats. Ich war auch in Friedrichshain und Prenzlauer Berg unterwegs, als es noch nicht arriviert war. Was aus dem Kollwitzplatz geworden ist – eine Katastrophe!

Gentrifizierung im Endstadium?

Ach, das ist mittlerweile ein Unwort in Deutschland: Gentrifizierung. Es geht immer nur um Wohnen, das nicht mehr bezahlbar ist. Die Menschen möchten keine Veränderung haben. Veränderung, Qualitätssteigerung, die ist immer mit Konsequenzen verbunden. Natürlich geht es nicht, dass eine Krankenschwester 2 000 Euro verdient und sie nicht weiß, wie sie das macht. Ich kann mir das aber nicht mehr anhören, wenn Leute in ihren Cafés sitzen und von Gentrifizierung reden und davon, dass der Kaffee zu teuer ist. Würden solche Menschen wie die Trümmerfrauen die Backsteine wegräumen?

Es fing an mit der Work-Life-Balance, das war die erste Stufe. Und jetzt sind wir noch weiter. Ich habe mit einem Freund geredet, der suchte einen Mitarbeiter für sein Sanitätshaus. Ein Bewerber sagte dann, dass er eher so einen Lean-Back-Job sucht. Wie bei Beamten: Da klingelt das Telefon, und du lehnst dich zurück. Weil es schon elf ist, und um zwölf ist ja Mittagspause. Und dann kommen als nächste Stufe die Quiet Quitters, die Geld verdienen wollen, ohne dass sie eine Leistung erbringen.

Was wird Ihr nächstes Projekt?

Dadurch dass ich im Knast war, wurde mir die Lizenz zum Arbeiten genommen. Die Menschen sagen: Mit dem Goldman kann ich nichts mehr zu tun haben, aus Gründen der Compliance. Und dann sage ich denen: Wissen Sie, was der Unterschied zwischen Ihnen und mir ist? Ich bin schon reich, Sie müssen es erst noch werden. Ich habe schon alles gehabt, habe auch im Geschäftsleben schon vieles verloren. Aber mir geht es noch immer gut. Ich bin ein zufriedener Mensch. Bin ein Kreativer, mache jetzt unter anderem Kunstprojekte und Erinnerungskultur.

Auf dem Union-Areal arbeite ich jetzt am Parcours des Widerstands. 200 Steine, die vergessene Geschichten erzählen. Wie bei den Stolpersteinen, aber hier sind es nicht die Geschichten von Juden, sondern von Widerstandskämpfern. Menschen, die tatsächlich etwas gemacht haben, wo die anderen später meinten: Was hätte man denn machen sollen? Da ist zum Beispiel Dieulefit in Frankreich. Ein Dorf, das in der Zeit der Besatzung 1 500 Juden versteckt und gerettet hat.

Sie überlebten als kleines Kind einen schrecklichen Autounfall, als Einziger aus der Familie.

Ja, das hat mich natürlich geprägt. Ich zog dann zu Verwandten in Israel. Die wollten mich religiös erziehen, das war ganz schwierig. Ich kam wieder nach Frankfurt, zu anderen Verwandten, mit zehn Jahren. Ich bin politisch aufgewachsen, in den Nachwehen von ’68. Tag und Nacht draußen auf den Straßen unterwegs, mit Älteren. Weil ich informations- und lebenshungrig war.

Schon vor dem Interview haben Sie mir Links geschickt: zur Dichterin Rose Ausländer, zu Filmen, zu Musik von Joan Baez über JVKE bis hin zu Hanns Dieter Hüsch.

In den 60er- und 70er-Jahren, da bist du mit Musik aufgewachsen. Ich habe auch mal in einem Plattenladen gearbeitet. Montanus in Frankfurt. Hauptsächlich Importplatten aus den USA. Ich weiß noch, da kam ’81 eine Lieferung mit zehn Platten an. Ich habe das gehört und musste einfach eine haben. Ich habe so lange rumgemacht, bis ich eine bekam. Das war „Rapper’s Delight“ von der Sugarhill Gang. Der erste Rap-Hit in Deutschland.

Ich habe mir immer den Respekt erhalten für jegliche Art von Menschen. Gelernt habe ich das von Hanns Dieter Hüsch aus dem Lied „Ich sing für die Verrückten“, die Beschreibung von Menschen, die aus der Gesellschaft gefallen sind. Er hat sie zärtlich benannt, nannte sie die „seitlich Umgeknickten“. Die sich unbemerkt aus dem Leben schleichen.

Da ist das Ding! Dieses Mal dreht sich in unserem Dossier alles um das Thema Immobilien und den Traum vom Eigenheim. Außerdem haben wir Netflix-Showrunnerin Anna Winger getroffen und die Brüder Ahmed und Mike Chaer, die deutsches Wrestling groß machen wollen. Viel Spaß beim Lesen! Hier gibt es das Magazin zum Bestellen.

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