Productivity & New Work FAQ zum Arbeitsrecht: Wie muss ich künftig meine Arbeitszeit erfassen?

FAQ zum Arbeitsrecht: Wie muss ich künftig meine Arbeitszeit erfassen?

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Verschwiegenheitsklausel und Urlaubsanspruchsberechnung: Das Arbeitsrecht in Deutschland ist kompliziert. Damit auch Normalsterbliche in Zukunft verstehen, was sie bei der Arbeit dürfen, können, müssen, sollen und was nicht, fragen wir Expert:innen, was hinter den gängigen Mythen steckt.

Das Bundesarbeitsgericht entschied kürzlich, dass Arbeitgeber:innen dazu verpflichtet sind, Arbeitnehmer:innen die Möglichkeit zu bieten ihre Arbeitszeit zu erfassen. Seither gibt es viele Diskussionen und Fragen, wie man diese richtig dokumentiert. Stimmen zur Befürchtungen zur Rückkehr einer Stechuhr und zum Verlust der Vertrauensarbeitszeit werden laut. Um etwas die Wogen zu glätten, haben wir der Rechtsanwältin Sophie Pollok die wichtigsten Fragen zum Thema Arbeitszeiterfassung gestellt:

Was müssen Arbeitgeber bei der Umsetzung beachten? 

Wie genau die Zeiterfassungspflicht umgesetzt werden soll, steht noch aus. Fest steht jedoch bereits jetzt, dass Arbeitgeber aus Arbeitsschutzgründen grundsätzlich dazu verpflichtet sind, die gesamte Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu erfassen. Bisher war es für die meisten Arbeitgeber ausreichend, lediglich Überstunden und Sonntagsarbeitszeit zu erfassen, das wird sich in Zukunft ändern. Unternehmen müssen nun flächendeckend fälschungssichere Systeme zur umfassenden Arbeitszeiterfassung einrichten.

Muss ich meine Arbeitszeit erfassen auch wenn ich Vertrauensarbeitszeiten habe?  

Da das Urteil eine grundsätzliche Dokumentationspflicht der Arbeitszeit vorsieht, wird das Konzept der Vertrauensarbeitszeit in der Form, in der es aktuell in vielen Branchen praktiziert wird, nämlich als kompletten Verzicht auf jegliche Arbeitszeiterfassung, nicht haltbar sein. Allerdings ist in der praktischen Umsetzung des Urteils damit zu rechnen, dass es für bestimmte Arbeitszeitmodelle Erleichterungen in der Dokumentationspflicht geben wird. Für die Vertrauensarbeitszeit könnte das zum Beispiel bedeuten, dass der Arbeitnehmer nur die Anzahl der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden dokumentiert, nicht aber minutiös den Beginn, die Pausen und das Ende. Damit wäre weiterhin eine freie Zeiteinteilung möglich.

Wie genau muss ich bei der Erfassung sein, insbesondere im Homeoffice?

Das kommt auf das mit dem Arbeitgeber vereinbarte Arbeitszeitmodell an. Grundsätzlich gilt, dass im Homeoffice dieselben gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeiterfassung wie im Büro Anwendung finden.

Muss ich jede Pause dokumentieren oder kann ich kurze Pausen gegen einen früheren Beginn von 15 Minuten eigenständig verrechnen? 

Bei einer Mindestarbeitszeit von sechs Stunden am Tag gelten Arbeitsunterbrechungen unter 15 Minuten nicht als Pause und müssen somit nicht erfasst werden. Grundsätzlich gilt, dass kurze, unerhebliche Unterbrechungen der Arbeit wie beispielsweise der Gang zur Toilette ebenfalls nicht dokumentiert werden müssen. Eigenständig verrechnet sollten nicht-genommene oder kürzere Pausen nicht. Zum einen ist der Beginn und das Ende der Arbeitszeit – abgesehen vom Modell der Vertrauensarbeitszeit – meist im Arbeitsvertrag festgelegt und es kann zu einer Kernarbeitszeitverletzung kommen. Zudem ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass ab einer bestimmten Mindestarbeitszeit Pausen von mindestens 15 Minuten genommen werden müssen, die nicht mit einem späteren Beginn oder früherem Ende der Arbeit verrechnet werden dürfen. 

Was ist ein absolutes No-Go bei der Zeiterfassung für Arbeitnehmer:innen?

Arbeitszeitbetrug. Werden von Arbeitnehmer:innen bewusst falsche Zeiten aufgeschrieben oder der Zeitnachweis gefälscht, kann dies zu einer Abmahnung oder sogar Kündigung führen. Zudem handelt es sich bei der bewussten Täuschung des Arbeitgebers über die geleistete Arbeitszeit um eine Straftat. Das gilt auch für Arbeitnehmer:innen im Homeoffice, die noch gemütlich unter der Dusche standen, ihrem Arbeitgeber gegenüber aber angeben haben bereits am Schreibtisch gesessen zu haben. 

Welche Auswirkungen hat die Arbeitszeiterfassung auf das Homeoffice generell? 

Möchten Arbeitgeber zukünftig auch weiterhin flexible Arbeitszeitmodelle anbieten, müssen sie Lösungen zur Arbeitszeiterfassung zur Verfügung stellen, die auch im Homeoffice praktikabel und manipulationssicher sind.  In der Praxis zeigt sich aktuell, dass erst wenige Unternehmen eine betriebliche Zeiterfassung für im Homeoffice tätige Mitarbeiter:innen etabliert haben. Dabei besteht gerade bei der Arbeit im Homeoffice die Gefahr, dass Arbeitnehmer:innen ohne Pause durcharbeiten, die gesetzlichen Ruhezeiten zwischen Arbeitsbeginn und -ende nicht einhalten und mehr unbezahlte Überstunden machen. Die nun zu erwartenden strengeren Regelungen zur Zeiterfassung, die für alle Arbeitszeitmodelle gelten, werden Arbeitnehmer:innen in dieser Hinsicht besser schützen.

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