Productivity & New Work 14 Tage Barcelona: die Startup-Szene auf Klassenfahrt

14 Tage Barcelona: die Startup-Szene auf Klassenfahrt

Viel mit Party ist hier im Camp in Barcelona aber eh nicht. Meist geht es vor Mitternacht ins Bett, damit frühmorgens mit frischem Kopf weitergearbeitet wird. Es gibt Kaffee, Tee, Müsli, Brot und Ei. Alle gehen ihren Tag durch: Gründerin Karl erzählt, dass bei ihr heute wichtige Calls anstehen. Weber hakt nach, fragt, ob er unterstützen kann, ein Mentor gibt ihr später konkrete Tipps, um die Calls mit potenziellen Investorinnen zu meistern.

Foto: Lexrocket

Die Workshops finden überwiegend in der Villa statt, einer jedoch wird ausgelagert: Die Gruppe fährt mit dem Taxi durch die City von Barcelona, an der Sagrada Família vorbei, Richtung Strand. Frühlingshafte 20 Grad Außentemperatur, man macht es sich auf Handtüchern am Strand bequem, um gleich mehr über Personal Branding zu erfahren. In der Luft der leichte Geruch von Sonnencreme und Salzwasser. Die Wellen brechen, die Möwen schreien. Dann beginnt der Workshop – mit einer Achtsamkeitsübung.

Später wird es richtig inhaltlich, es wird sich an den großen W-Punkten entlanggehangelt: Was kann ich? Was will ich lernen? Wobei brauche ich Hilfe? Wobei kann ich helfen? Es wird in Smartphones getippt und auf Notizblöcke geschrieben. Eine gute halbe Stunde wird konzentriert gearbeitet, dann unterbricht ein Regenschauer die Ruhe.

Generell spürt man, dass die Gruppe ihre Mentorings immer etwas sacken lassen muss. Gut, dass die Stadt und ihre Angebote unmittelbar greifbar sind.

„No Risk No Fun“

Es ist ein milder, leicht bewölkter Nachmittag. Das Camp hat sich versammelt, um der geplanten Activity nachzugehen: Skaten. Es geht dazu in eine Anlage im Norden der Stadt, die an einen Wald angrenzt. Die beiden Trainer sehen in ihren Hoodies und Caps aus wie frisch aus Venice weggeholt.

Sie begrüßen das Camp und statten alle mit Helmen und Boards aus. Aber es wäre kein Camp-Programmpunkt, wenn nicht auch hier die große Lektion lauern würde: „Skaten ist wie das Leben selbst: Du fällst ständig und musst trotzdem wieder aufstehen“, sagt einer der beiden Trainer, der auf seinem Unterarm „No Risk No Fun“ tätowiert hat.

Und die Ansprache scheint zu wirken, wenn auch nicht auf der Ramp oder in der Halfpipe: Denn nach ein paar Skate-Versuchen sitzen Karl und Hauser mit Mentorin Frings am Rand – und sprechen übers Scheitern. Mitten im Skatepark wird über erlebte Insolvenz und die damit einhergehende Scham geredet und warum es wichtig ist, sich davon nicht runterziehen zu lassen. „No Pain No Gain“ eben, aber das sieht man hier noch nicht als Tattoo.

Foto: Lexrocket

Die anderen Tage laufen ähnlich als Wechsel aus Tagesgeschäft, Workshop und Fun ab. Nur das Wochenende – es ist immerhin ein europäisches Programm, kein Valley-Crashkurs – bleibt weitestgehend arbeitsfrei. Verständlich: Die Gruppe wird später daheim noch ausreichend Gelegenheit haben, den Willen zum Hustle unter Beweis zu stellen.

Und die Wochenenden sind tatsächlich eher Auszeiten: Am Samstag steht zum Beispiel eine mehrstündige Wanderung auf den Montserrat an, eine Gebirgskette nahe Barcelona, von der man einen weiten Blick über die katalanische Provinz hat. Am Sonntag dann eine Fahrt mit einem Heißluftballon.

Challenges, um weiter zu wachsen

Man versteht langsam, warum Meng und sein Team sich durch immer mehr Bewerbungen für das Camp pflügen müssen. Die Ballonfahrt wird in der Gruppe als echtes Highlight gewertet. Gründer Ballosch sagt: „Für mich ist dieses Format Gold wert, weil man in recht kurzer Zeit das soziale Defizit, das es durch die Pandemie gibt, wieder füllen kann.“

Was beim Aufholen des sozialen Defizits allerdings dann auch vorprogrammiert ist: Reibereien, Diskussionen. Abmachungen werden nicht immer eingehalten, hier und da treten Missverständnisse auf, die beigelegt werden müssen. Meng sieht das nicht unbedingt negativ, er sagt: „Genau solche Reibereien fördern die Energie.“ Als Gründerin und Gründer sollte man sich ohnehin daran gewöhnen, es kommt mit der Rolle, in der man sich befindet. „Immer wieder gechallengt zu werden ist der beste Weg, um zu wachsen“, sagt auch Ballosch.

Er steht auf der Dachterrasse der Villa, trägt eine große Sonnenbrille, ein Muss bei der Nachmittagssonne, die hier jeden Tag auf die Terrasse knallt. Sein Blick geht runter zum Pool, wo es sich die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemütlich gemacht haben. Die einen natürlich wieder mit Coke Zero in der Hand, die Beine im Wasser, die anderen mit Laptop im Schoß im Schatten der Bäume.

Bald geht die Sonne in Barcelona unter, ein paar Tage haben die Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer noch vor sich. Ein paar Tage an Ideen feilen, an Pitch-Decks schreiben. Zu üben, wie man das anstellt: über sich hinauswachsen. Und natürlich noch Zeit, Beziehungen aufbauen. Beziehungen, die im besten Fall lange halten. Länger jedenfalls als diese Klassenfahrt der Startup-Szene.

Dieser Text stammt aus unserer Ausgabe 3/22. In unserem Dossier dreht sich dieses Mal alles um das Thema Climate-Tech. Auch mit dabei: Wie der Head of Hiphop dem Streamingriesen Apple Music endlich eine junge Zielgruppe zuführen soll. Außerdem: Was passiert im Super Startup Adventure Camp Barcelona? An welcher veganen Alternative arbeitet das Food-Tech-Startup Perfeggt? Und vieles mehr. Hier geht es zur Bestellung

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