Personal Finance Kunst als Investment: „Das Internet öffnet nun wirklich jedem den Zugang zum Kunstmarkt“

Kunst als Investment: „Das Internet öffnet nun wirklich jedem den Zugang zum Kunstmarkt“

Kunst wird auch für junge Käufergruppen eine immer interessantere Wertanlage. Beraterin und Sammlerin Ruth Polleit Riechert gibt im Gespräch eine Anleitung, wie man passende Kunstwerke findet und Wert von Hype unterscheiden kann:

Frau Polleit Riechert, woher stammt Ihre Faszination für Kunst?

Als Kind habe ich viel Zeit in der örtlichen Bücherei verbracht. Dort habe ich Bücher gefunden, in denen „Der Blaue Reiter“ von Kandinsky abgebildet war. Das hat mich gefesselt. Ich habe angefangen, sämtliche Künstler:innen und ihre Werke aus Büchern auswendig zu lernen. Ich wollte unbedingt ihre Bildsprache kennenlernen.

Wie kamen Sie dazu, Kunst als Investition zu betrachten?

Mein Bruder beschäftigte sich schon als Teenager viel mit dem Thema Finanzen. Ich bin damit aufgewachsen und habe dann später als promovierte Kunsthistorikerin angestrebt, Kunst und Geld in meiner Karriere zu verbinden. Der Bereich Kunstinvestment ist da der rote Faden.

„Das Internet öffnet nun wirklich jedem den Zugang zum Kunstmarkt.“

Ruth Polleit Riechert

Fangen wir ganz vorne an: Welche Arten von Kunst sind wertstabil, welche sind Trends?

Stabil sind Klassiker. Da wären wir wieder bei Kandinsky, Picasso und Richter. Da kann man schauen, ob man Editionen, Grafiken oder Zeichnungen bekommt. Immer wieder gibt es aber auch Künstler:innen, die gehypt werden.

Das Thema Hype bringt uns gleich zu allem rund um digitale Kunst: Wie verändert sich dadurch die Kunstszene?

Der Kunstmarkt war bis zur Digitalisierung sehr intransparent. Das hat selbst mich abgeschreckt. Niemand konnte erkennen, wie die Preise für Kunstwerke zustande kamen, wie sie sich entwickeln und warum die Preise gerechtfertigt sein sollten. Durch die Digitalisierung und die Lockdowns während der Coronapandemie waren Galerien gezwungen, ihr Angebot mit Preisen ins Internet zu stellen. Seitdem sind Kunstschaffende global erreichbar, ihre Kunst kann weltweit betrachtet werden, und der Kunstmarkt profitiert von mehr und oft jungen Kaufinteressenten.

Das Internet öffnet nun wirklich jedem den Zugang zum Kunstmarkt. Jede:r hat die Möglichkeit, sich zu informieren und zu kaufen. Die Preisangaben erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunstwerk gekauft wird. Mittlerweile ist über ein Drittel des gesamten Umsatzvolumens im Kunstmarkt online abgewickelt worden. Die meisten Onlineverkäufe finden im Bereich unter 10 000 Euro statt.

Das Buch „Kunst kaufen – Den Kunstmarkt verstehen, Wissen aufbauen und klug investieren“ ist Mitte Februar dieses Jahres erschienen. Darin erklärt Ruth Polleit Riechert für jeden verständlich, wie wir die passenden Kunstwerke für uns finden, wie wir sie fachgerecht beurteilen und ihr Potenzial als Geldanlage erkennen können. Dafür hat die Autorin eine eigene Methode entwickelt, die unter anderem auf den Prinzipien von Warren Buffett beruht.

Warum fühlen sich derzeit so viele angesprochen, in Kunst zu investieren?

Stichwort Inflation: Viele Menschen sind auf der Suche nach Lösungen und schauen sich vermehrt nach Sachwerten als Investments um. Die leitende Frage lautet da: Worin könnte ich Geld anlegen, um es nicht zu verlieren und vielleicht sogar eine Wertsteigerung zu erzielen? Zudem haben Auktionsrekorde mit NFTs Kunst in die Schlagzeilen befördert. Viele Menschen sind mit dem Handel von Kryptowährung und Kryptokunst sehr reich geworden. Einige können aber auch wieder sehr viel Geld verlieren. Das Thema wird in den Medien und der Öffentlichkeit diskutiert. Die Frage, ob sich Kunst als Geldanlage eignet, steht wieder deutlicher im Raum.

Weiter im Prozess: Was ist der einfachste Weg, um in Kunst zu investieren?

Ich empfehle zunächst, sich ganz viel anzuschauen: online, in Ausstellungen oder Büchern. Es gibt auch die Möglichkeit, an Kunsthochschulen und in Ateliers zu gehen und sich mit Künstler:innen auszutauschen. Abhängig vom eigenen Budget ist zu überlegen, ob ein Klassiker infrage kommt und wie er zu erstehen ist: Erwirbt man einen Teil über die Blockchain, eine Edition oder ein Unikat? Anschließend ist die Preisanalyse wichtig. Wie viel hat das Kunstwerk in der Größenordnung bislang gekostet, und was darf es kosten? Ich empfehle eine Regel von Investorenlegende Warren Buffett: die Preis-versus-Wert-­Formel. Ist das Kunstwerk das wert, was der Preis aussagt, oder ist es mehr oder weniger wert? Wenn es mehr wert ist, handelt es sich um ein gutes Investment. Die Rendite liegt im Einkauf.

Klingt auf jeden Fall aufwendiger, als auf Trade Republic Einzelaktien zu kaufen.

Auf jeden Fall. Hinzu kommt, dass Preis und Wert eines Kunstwerks im Auge der Betrachter:innen liegen. Kunst hat immer eine unberechenbare Komponente dabei. Selbst wenn Preisanalysen gemacht worden sind, muss man erst mal jemanden finden, der an dem bestimmten Tag ein bestimmtes Werk für einen bestimmten Preis kaufen will. Das ist ein Unterschied zu Aktien und anderen Märkten. Die sind von breitem Interesse, Kunst dagegen ist Geschmackssache.

„Man sollte nie in etwas investieren, worin man sich nicht auskennt.“

Ruth Polleit Riechert

Und wo kann ich Kunst online kaufen?

Die Blockchain­ und NFT­-Technologie haben neue Möglichkeiten geschaffen. Zum einen gibt es Anbieter:innen, die Kunstwerke fraktionalisieren. Das heißt, sie werden digital in einzelne Besitzanteile (Token) zerlegt und verkauft. Kunst wird so leichter investierbar und Interessenten können Miteigentümer von Meisterwerken werden. Die Klassiker sind sonst unerschwinglich für Normalverdienende. Zum anderen können zusätzlich NFTs aufgelegt werden. Ein Beispiel dafür ist das Werk „Der Kuss“ von Gustav Klimt. Das Museum Belvedere in Wien hat 10 000 NFTs von dem Werk zu jeweils 1 850 Euro zum Verkauf angeboten.

Die Frage ist natürlich: Sind die NFTs so viel wert wie das Kunstwerk an sich? Das muss man strikt trennen. In diesem Fall sind die NFTs eine zusätzliche Produktion und keine Anteile am Kunstwerk. Sie entsprechen in etwa einer Edition. Da ist die Wertsteigerung nicht wahrscheinlich, da es nur eine Ableitung des Originals ist und keine wirkliche Partizipierung am Original.

An welchen Kriterien mache ich denn den Wert eines Werkes fest?

Wichtig ist, immer das gesamte Werk eines Künstlers oder einer Künstlerin zu sehen: Wie ist seine oder ihre Entwicklung? Wie vielseitig ist der Künstler oder die Künstlerin? Welche Art von Kunst hat er oder sie bislang produziert? Wo hat die Person ausgestellt? Welche Presseartikel sind über die Person erschienen? Auch die Marketingaktivitäten von Künstler:innen können einen Einfluss auf die Preisentwicklung haben. Künstler:innen, die handwerklich sehr gut sind, aber kein Marketing machen, landen sehr wahrscheinlich nicht in den Top Ten. Diese Kriterien sind auch auf NFT-­Kunst übertragbar.

Welche Regeln sollte man beim Investieren in Kunst noch beachten?

Anschauen ist das Allerwichtigste. Eine weitere Regel von Warren Buffett, die auch für die Kunst gilt, ist: Man sollte nie in etwas investieren, worin man sich nicht auskennt. Unbedingt zuerst ordentlich informieren. Niemals nur einem Berater oder einer Beraterin vertrauen. Und immer bei seinem Preislimit bleiben und nicht höher gehen.

Wer jetzt direkt Lust bekommen hat, in Kunst zu investieren, kann bei unserer Sammlung in Kooperation mit Misa Art vorbeischauen. Hier entlang.

Den ganzen Text lest ihr in unserer Ausgabe 2/22. Außerdem: Krypto-Art-Dossier. Big-Wave-Surfen in Portugal. Der CEO der Online-Uni Coursera. Und Cannabis aus Sachsen. Am Kiosk oder hier.

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