Innovation & Future Planet Labs: Wie eine Satelliten-Firma jeden Tag Bilder aus der Ukraine liefert

Planet Labs: Wie eine Satelliten-Firma jeden Tag Bilder aus der Ukraine liefert

Doch auch staatliche Akteure werden so schnell nicht aus dem Weltraum verschwinden. „Früher kosteten Satelliten ein paar Hundert Millionen Dollar, gar Milliarden. Weil einige jetzt viel kleiner und billiger sind, ist die Eintrittsbarriere niedriger“, sagt Schingler. „Aber man kann nicht jede Mission schrumpfen. Und viele fortgeschrittene Anwendungen im Weltraum können wir nur nutzen, weil Regierungen schon lange daran gearbeitet haben.“ Für Schingler ist auch die Nasa ein potenzieller Auftraggeber und Kooperationspartner. „Es geht dabei nicht um Wettbewerb, sondern um gemeinsamen Erfolg.“

Und eigentlich geht es auch nur am Rande um Fotos. Fotos, erklärt Schingler, sind etwas fürs menschliche Auge und nicht für Big-Data-Analysen. „Unsere Satelliten können weit mehr sehen als das Auge“, sagt Schingler. „Infrarot, Moleküldetektoren, Radarsignaturen. Die große Chance ist, diese Datensätze zu kombinieren. Ein Überblick über die Tatsachen und Kenntnis vom Geschehen.“ Es ist eines der zentralen Versprechen von Planet Labs: Lüge und Wahrheit unterscheiden zu helfen, Fake News von Fakten. Zu sehen, was in Kabul, in Kolumbien oder auf Raketenbasen mitten in der Wüste passiert, ohne vor Ort zu sein. „Genau das brauchen wir dringend. Eine Quelle für ein faktenbasiertes Verständnis der Welt“, sagt Schingler. „Um Risiken zu verstehen und bessere Entscheidungen zu treffen. Am aufregendsten finde ich dabei, welche Rolle das bei der Nachhaltigkeitstransformation spielen kann.“

Anlegerinnen und Anleger werden aber auch an ihr Investment denken. Seit Dezember 2021 wird Planet Labs an der Wall Street gehandelt. Das Unternehmen wählte dafür das Spac-Modell, eine bereits an der Börse gelistete, leere Firmenhülle, die mit Planet fusionierte.

Und man muss sagen: Der Kurs bewegte sich seit der Listung nicht himmelwärts, sondern in die exakt entgegengesetzte Richtung. Seit dem IPO ging es mit Stand Mitte Januar rund 35 Prozent bergab. Das hing nach Unternehmensangaben auch damit zusammen, dass ein staatlicher Auftrag ausgefallen war, weil in dem nicht näher genannten Land nämlich „ein nicht anerkanntes Regime“ die Kontrolle übernommen habe. Der Deal ging verloren.

Wer die Satellitenanalysen nutzen darf, wird Planet Labs auch in Zukunft abwägen müssen. Welche Regierungen, welche Firmen dem Purpose im Weg stehen und welche ihm dienen. Schingler hofft, dass sich Gewalt und Konflikte mit besserem Zugang zu Daten verhindern lassen.

Die Satellitentechnologie kann ihren Ursprung nicht verhehlen – der liegt im militärischen und geheimdienstlichen Bereich. Ein Feld, auf dem sich auch Planet weiter betätigen wird. Nicht das einfachste Terrain. Denn es geht immer um widerstreitende Interessen.

Da ist zum Beispiel die Aufnahme von Planet-Labs-Satelliten, die ein leeres Stück Land in der chinesischen Provinz Gansu zeigt. Aber nach ein paar Wochen ist es gar nicht mehr so leer. Straßen durchziehen die Fläche, und eckige Strukturen sind zu sehen. Planet Labs’ Einordnung: wahrscheinlich Raketensilos für Waffen.

Satellitenaufnahmen dieser Art waren bisher höchsten Regierungskreisen oder Militärs vorbehalten. Am 30. August 2019 verbreitet der damalige US-Präsident Donald Trump auf Twitter ein Foto. Es zeigt eine iranische Raketenbasis. Trump wollte beweisen, dass die USA nicht in eine Explosion verwickelt waren, die dort am Tag zuvor stattgefunden hatte. Das Foto hätte eigentlich geheim bleiben sollen. Es zeigte der Welt unbeabsichtigt, wie hochauflösend Satelliten des US-Militärs die Erdoberfläche abfotografieren können. Die Welt weiß nun, dass die USA derart nah ranzoomen können, dass selbst Automodelle auf Satellitenfotos erkennbar sind. Alle anderen Menschen wären für die Preisgabe im Gefängnis gelandet, doch als US-Präsident durfte Trump sich über die Geheimhaltung hinwegsetzen. Ob das strategisch so klug war, steht auf einem anderen Blatt.

Seien es die Bäume im Chiribiquete-Nationalpark in Kolumbien oder iranische Raketen – wo wir hinschauen, ist eine Frage der Interessenlage. Was nicht mehr geht: darauf setzen, dass niemand zusieht.

Dieser Text erschien in Business Punk 1/2022. Hier gibt es das Magazin zum Bestellen. Oder im Kiosk eures Vertrauens.

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