Innovation & Future Wie das Hockurinal „Missoir“ das Grundbedürfnis Pinkeln gerechter machen soll

Wie das Hockurinal „Missoir“ das Grundbedürfnis Pinkeln gerechter machen soll

Eine weitere, noch ärgerlichere Herausforderung: sich ohne Vorkenntnisse in einer Branche behaupten, die männerdominiert ist. Bei der Suche nach einer Installateurin, einer Herstellerin oder einem Investor wurde sie von einigen schräg angeschaut. Olvedis Konsequenz: Sie ließ unter anderem in Mails ihren Vornamen weg, um nicht nur aufgrund ihres Geschlechts eine Absage zu erhalten.

„Blöde Kommentare oder Blicke gibt es manchmal, aber ich bin sehr dankbar, dass das Feedback doch so toll ist. Das ist meine tägliche Motivation“, sagt Olvedi. Heute ist das Missoir für sie nicht mehr nur ein Herzensprojekt, sondern ihr Vollzeitjob, die Anstellung beim Fernsehen hat sie bereits vor mehr als zwei Jahren aufgegeben.

„Erst habe ich nur jede freie Minute nach Feierabend und an den Wochenenden in das Projekt gesteckt, aber Ende 2019 verließ ich das Fernsehen und wagte, leider kurz vor der Pandemie, den Schritt in die Selbstständigkeit“, sagt Olvedi. Unterstützt wird die Gründerin von einem Kollegen, der für die technische Umsetzung verantwortlich ist und die ersten Skizzen für das Hockurinal und das mobile Missoir entwarf.

Foto: Missoir

Auf Festivals oder Outdoor-Events bekommt Olvedi außerdem Hilfe von den (Achtung, wieder ein liebevolles Wortspiel) Pipilottas – wie sie ihre Klofrauen getauft hat. Diese betreuen das Hockurinal und verteilen kostenlose Hygieneprodukte.

Und so ist das mobile Missoir aufgebaut: Es besteht aus drei Urinierplätzen, die nebeneinander im Boden angebracht sind. Getrennt werden sie lediglich von Haltestangen. Es ist überdacht und verfügt über all die eingangs beschriebenen Features und Annehmlichkeiten. Für den schnellen Durchlauf, der hierdurch erzeugt wird, bräuchte es an herkömmlichen Toiletten mindestens neun.

Damit ist das Missoir obendrein noch platzsparend. Doch was, wenn man sich schämt, vor fremden Menschen zu pinkeln? „Stehpinkler pullern auch beim Pissoir nebeneinander, warum ist das bei uns Frauen noch ein schambehaftetes Tabuthema? Die meisten Frauen freuen sich über diese Art von neu gewonnener Freiheit“, sagt Olvedi.

„Mein Ziel ist es, ein nachhaltiges Hockurinal überall dort anzubieten, wo es auch Pissoirs für Stehpinkler gibt.“

Und nicht nur an den mobilen Urinalen schraubt Olvedi, es sollen auch mehr feste Missoirs installiert werden – wie eben in der Berliner Hasenheide. „Seit der Ideenfindung stehe ich in Kontakt mit diversen nachhaltigen Toilettenanbietern wie unter anderem Ecotoiletten. Mein Ziel ist es, ein nachhaltiges Hockurinal überall dort anzubieten, wo es auch Pissoirs für Stehpinkler gibt“, sagt sie.

Das Missoir in Kooperation mit Ecotoiletten in Neukölln ist das erste feste, mittlerweile wurde es wieder abgebaut und soll an anderer Stelle neu platziert werden.

„Ich will damit etwas bewegen und verändern“, sagt Olvedi. Pinkeln sei ein Grundbedürfnis, das jeder gleichermaßen zustehe – was in unserer Gesellschaft jedoch nicht gegeben sei. „Es kann nicht sein, dass sich bei den Citytoiletten wie zum Beispiel in Berlin Stehpinkler kostenfrei erleichtern können, während alle anderen 50 Cent zahlen müssen“, sagt sie.

Ein weiterer Parameter, der für Olvedi von Bedeutung ist: Nachhaltigkeit. Dazu kooperiert Olvedi mit Anbietern, die klimaneutrale Toiletten herstellen. Das Missoir selbst ist ebenfalls nachhaltig. „Es ist ein umweltfreundliches Trockenurinal ohne Wasserverbrauch, es ist plastik- und chemiefrei, und das Toilettenpapier ist ökologisch, zur sparsamen Einzelblattabnahme“, sagt Olvedi.

Aktuell gibt es drei mobile Missoirs, gerade bereitet Olvedi sich auf die kommende Saison vor und steckt in weiteren Planungen. Damit mit jedem weiteren Missoir das Pinkeln endlich ein Stück gerechter wird.

Dies ist ein Text aus unserer Ausgabe 1/2022: In unserem Dossier beschäftigen wir uns mit dem Comeback des luxuriösen Lifestyles: reisen, speisen, residieren. Wir haben außerdem die Königsklasse der Fin-Meme-Bubble Papas Kreditkarte und Hedgefonds Henning zum Doppelinterview getroffen. Und mit Sony Musics GSA-CEO über seine Wurzeln gesprochen, über Dante Alighieri und darüber was ein Plattenlabel ausmacht, wenn es gar keine Platten mehr gibt. Hier gibt es das Magazin zum Bestellen.

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