Life & Style Cheese Gang: Wie Phillipp Emde Käse den Ruhm verleihen will, den er verdient

Cheese Gang: Wie Phillipp Emde Käse den Ruhm verleihen will, den er verdient

Alm, Heu, Tracht? Bäh. Das Berliner Kartell Cheese Gang will Käse eine neue Aura spendieren: die von Ferrari Testarossa, Speedboats und Neonnächten.

Philipp Emde, auf Ihrer Website stolpert man über Begriffe wie Kartell, Gang und Dealer. Was genau ist die Cheese Gang – und wie illegal?

Die Cheese Gang ist eine Bewegung von jungen, kreativen Genussmenschen aus der ganzen Welt. Wir suchen die heftigsten Käse, erstellen Content rund um dieses köstliche Produkt und veranstalten Events, bei denen man Käse in verschiedenster Form erleben kann. Also eigentlich alles total legal. Was uns mit Drogendealer:innen verbindet: Auch wir behaupten, das krasseste Zeug im Angebot zu haben, und dass unsere Ware süchtig macht.

Die Inszenierung ist bewusst provokant, die Fotos haben mehr mit der Ästhetik von „Narcos“ gemein als mit Almidylle.

Ich finde, dass Käse mehr verdient hat als Logos, die traditionelles Handwerk suggerieren sollen. Oder Werbung mit grünen Weiden, Kühen und Blondinen im Dirndl. Für mich hat Käse mindestens ebenso viel Lifestyle-Potenzial wie Designermode oder Sportwagen. Wenn nicht sogar noch mehr, schließlich ist hier alles handgemacht, meisterlich veredelt und von der Natur limitiert.

Wie entstand die Corporate Identity der Cheese Gang?

Die Cheese Gang stellt sich der Herausforderung, ein uraltes Handwerk in die Moderne zu transportieren. Mit diesem Bruch arbeiten wir auch in der Kommunikation. Egal ob stilvolle Typografie kombiniert mit modernen, provokanten Fotos oder die Musik in unseren Videos, die mit einem klassischen Intro beginnt, bis ein brettharter Trap-Beat folgt.

Was machen Sie im Hauptjob, wer ist Philipp Emde?

Ich bin Mitbegründer und Creative Director von Studio Avanti mit Sitz in Berlin. Gemeinsam mit meinen Partnern Jerome Ybarra, Raul Stern und unserem Team kreiere ich den Auftritt von Marken und kuratiere deren Kommunikation. Mein Ziel: der beste Kreativdirektor für Käse weltweit zu werden. Und die Cheese Gang ist der erste Schritt dorthin. Privat bin ich ein absoluter Genussmensch, der gern kocht, in der Welt unterwegs ist und die Vielfalt Berlins schätzt.

©Cheese Gang

Brauchte es denn dringend eine Content-Plattform für Käseliebhaber? Wer ist die Zielgruppe?

Es fehlte schlicht ein Kanal, dessen Themen und Präsentation junge Genießer:innen von heute erreicht. Leute, die Bock auf geilen Käse und freshes Entertainment drumherum haben. Grundsätzlich richten wir uns sicherlich eher an Digital Natives, die eine Affinität für neue Foodtrends haben und auch Interesse an veganen Alternativen. Das überschneidet sich in meinen Augen mit den jungen Weintrinker:innen, die sich gern in Parks, in Bars oder daheim zum Verkosten treffen und auch wissen, was Natural Wine ist, ohne zu googeln. Und was passt dazu besser als eine fette Käseplatte? Eben.

Es gibt auch einen E-Shop, wo man allerdings nur Halloumi findet.

Was heißt denn hier „nur Halloumi“? Das Teil ist preisgekrönt und handgemacht auf Zypern. Es wird natürlich noch mehr kommen, klar. Wir haben da aber überhaupt keinen Druck, sondern den Anspruch, bloß solche Käse aufzunehmen, die etwas Besonderes sind und hinter deren Herkunft wir zu 100 Prozent stehen. Aktuell haben wir für 2022 einige Projekte mit fantastischen Hersteller:innen in der Pipeline, das wird superspannend. Ach ja, und falls jemand mit uns zusammenarbeiten will, immer melden!

Wie gut funktioniert E-Commerce mit einem verderblichen Produkt?

Das ist etwas komplizierter in der Logistik, aber völlig machbar ohne Qualitätsverlust. Wir arbeiten mit erfahrenen Partner:innen und smarten Lieferketten. Natürlich muss man etwas Aufklärung betreiben bei Kund:innen, etwa was die natürliche Schimmelbildung angeht.

Wie entstand die Love Affair mit ausgereiften Molkereiprodukten?

Keine Ahnung, vielleicht weil meine Eltern schon früher meist „guten“ Käse gekauft haben. Komplett geschockt war ich als Kind nach einem Besuch bei Freund:innen in Frankreich, wo es zum Abendessen gleich mal vier Gänge gab und nach dem Dessert noch eine mächtige Käseplatte serviert wurde. Ich war längst pappsatt – aber fasziniert. Die französische Esskultur ist einfach auf einem ganz anderen (Käse-)Level.

©Cheese Gang

Ab wann wussten Sie, dass Käse für Sie mehr ist als bloß Aufschnitt?

Ich bin schon länger der Typ, der mit einer Käseplatte und einer Kiste Wein zum geselligen Get-together am Stromkasten auftaucht. Unser Projekt ist dann 2014 in Mailand entstanden, und 2015 war ich zur Recherche im Käsemuseum in Amsterdam. Da gab es natürlich Hammer-Gouda und einen dekadenten Hobel mit Swarovski-Steinen. Noch am selben Abend, als ich in meine damalige Berliner WG zurückkam, hat mir mein Mitbewohner „Cheese Gang“ auf den Fuß tätowiert. Tja, da war die Sache quasi geritzt.

Ihre liebste Sorte?

Total abhängig von der Saison, für jede Jahreszeit gibt es tolle Käse. Jetzt im Winter ist Vacherin Mont-d’Or sehr lecker. Und Parmesan geht natürlich immer und macht fast alles besser.

Welcher geht überhaupt nicht?

Das wollte ich schon immer mal sagen: „Kein Kommentar.“

„Käse ist nicht langweilig oder stinkig, sondern großartig, lecker und sexy.“ Klingt wie der Slogan einer Bauernlobby.

Bei unserer Launch-Kampagne „Cheese is sexy!“ ging es darum, ein klares Statement zu setzen, was das Image von Käse betrifft. Außerdem wollten wir damit die Cheese Gang, ihre Tonalität und ihren visuellen Anspruch vorstellen. Und, ja, unser Ziel ist es, einer Community die Möglichkeit zu bieten, großartigen Käse zu genießen und nebenbei fantastische Sennereien, Milchbauern und Lieferanten zu unterstützen. Dass der Bedarf an digitalen Lösungen für solch traditionelle Branchen groß ist, hat uns die Pandemie sehr deutlich gezeigt.

Wir erwischen Sie gerade auf Reisen. Welche aktuellen Verkostungshighlights haben Sie für die Leser?

Ich mache momentan noch Urlaub in Österreich auf dem Hof eines Freundes. Dort ist gerade keine Saison, das Feuer im Kamin lodert, und ich beschäftige mich etwas mit dem Schäumen von Bergkäse – wunderbar zu gedämpftem Spinat. Auch zu empfehlen: ein „Grilled Cheeses Sandwich“ mit einer 50:50-Mischung aus Emmentaler und Raclettekäse vermischt mit Trüffelpaste, dazu Prosciutto cotto und zwei dünne Birnenscheiben.


Dies ist ein Text aus unserer Ausgabe 1/2022: In unserem Dossier beschäftigen wir uns mit dem Comeback des luxuriösen Lifestyles: reisen, speisen, residieren. Wir haben außerdem die Königsklasse der Fin-Meme-Bubble Papas Kreditkarte und Hedgefonds Henning zum Doppelinterview getroffen. Und mit Sony Musics GSA-CEO über seine Wurzeln gesprochen, über Dante Alighieri und darüber was ein Plattenlabel ausmacht, wenn es gar keine Platten mehr gibt. Hier gibt es das Magazin zum Bestellen.

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