Life & Style „Manchmal reicht es einfach nicht, Musiker zu sein“ – Alvaro Soler im Interview

„Manchmal reicht es einfach nicht, Musiker zu sein“ – Alvaro Soler im Interview

Popstar Alvaro Soler ist gerade mal 30 und hat die Musikherzen Europas bereits lange erobert. Ein Gespräch über Musik, Vorbilder und sein neues Buch.

Alvaro, vor sechs Jahren hattest du deinen musikalischen Durchbruch, jetzt erscheint deine Biografie. Ist das nicht ungewöhnlich früh?

Ich habe immer gedacht, ich schreibe mein erstes Buch erst, wenn ich 60 bin. 2015 ist dann mein erstes Album erschienen, und da wurde ich schon das erste Mal gefragt, wann denn mein Buch kommen würde. Und ich dachte nur: Ich bin doch jetzt noch kein Keith Richards. Das war noch zu früh. Durch Corona hatte ich jedoch viel Zeit, über meine bisherige Karriere nachzudenken. Es hat einfach geklickt und sich gut angefühlt. Eine klassische Biografie ist es aber nicht.

Welche Art von Buch ist es dann?

Na ja, es ist keine musikalische Biografie, sondern eher eine persönliche Geschichte von mir und den Kulturen und Traditionen, mit denen ich aufgewachsen bin. Meine Großmutter ist Belgierin, und mein Großvater ist Spanier. Damit fängt meine Geschichte eigentlich schon an.

Und sie geht weiter: Du bist in Barcelona geboren, in Tokio aufgewachsen und lebst jetzt in Berlin und Madrid.

Ja, ich verkörpere dadurch sehr viele Kulturen, das Buch vermittelt also die Multikulturalität, die in mir herrscht. Sie ist das Fundament meiner Person. Und mit dem Buch habe ich ein Medium gefunden, mit dem ich meine Geschichte endlich erzählen kann. Dafür ist bei Talkshows oder Interviews meist nicht genug Zeit.

Gelingt es dir nicht, in den Songs die Geschichte zu erzählen?

Na ja, es gibt viele Songs, von denen die Zuhörer:innen gar nicht wissen, worüber ich eigentlich singe. Man muss die Lieder schon sehr mögen, um sie zu übersetzen. Durch mein Buch erfahren die Leser:innen vielleicht Dinge, die sie vorher nicht wussten oder einfach anders wahrgenommen haben. Ich erhoffe mir sogar, dass viele Menschen das Buch lesen, die meine Musik gar nicht kennen. Die Musik ist nämlich nur die Spitze des Eisbergs.

Sprechen wir mal über den Beginn deiner Musikkarriere: Erinnerst du dich, wann du das erste Mal ein Mikrofon in der Hand hattest?

Das war in Japan in einer Karaokebar, mit 13, glaube ich. Da habe ich mich das erste Mal selbst singen hören, was ganz komisch war. Es hat sich angefühlt, als würde ich einen Zauberstab in der Hand halten, durch den die gesamte Energie fließt.

War das der Moment, in dem du wusstest: Ich werde Popstar?

In meiner Schulklasse in Tokio konnten irgendwie alle singen, das war wie Lesen oder Fahrradfahren. Deswegen habe ich damit auch angefangen. Doch es gab ein paar Momente, in denen ich gemerkt habe, dass irgendwas anders ist. Wie in der Karaokebar. Ich habe die Töne getroffen und realisiert, dass das gar nicht jeder kann. Das hat mich überfordert, aber auch viel Spaß gemacht. Ich wollte nicht von einem Tag auf den anderen Popstar werden, aber ich hatte ein neues Hobby dazugewonnen.

In deinem Fall trifft der sagenumwobene Karriereweg „vom Hobby zum Beruf“ tatsächlich zu.

Auf jeden Fall, deshalb habe ich auch eine ganz besondere Beziehung zur Musik. Ich habe von Anfang an einen Friedenspakt mit meiner Musik geschlossen.

Einen Friedenspakt mit der Musik?

Ja, heißt: Egal, was passiert, Musik wird immer eine Rolle in meinem Leben spielen. Auch, wenn ich damit irgendwann kein Geld mehr verdienen werde. Die Musik ist für mich viel mehr als nur Erfolg. Es ist eine Art Therapie für mich. Das wird niemals verloren gehen.

Erschienen am 27.9 im Penguin Verlag.

Du sprichst sieben Sprachen, singst aber nur auf Spanisch. Fühlst du dich dieser Sprache am meisten verbunden?

Ganz am Anfang habe ich tatsächlich Englisch gesungen, weil ich in Japan vor allem englische Musik gehört habe. Und ich wollte nie in meiner ersten Muttersprache singen. Aber irgendwann habe ich mich dem Spanischen geöffnet. Mein erster Versuch war das Lied „El Mismo Sol“ – und was soll ich sagen, das war megaerfolgreich. Also habe ich damit weitergemacht.

Genau diesen Song hast du direkt 2015 gemeinsam mit der Popikone Jennifer Lopez performt. Wie war das für dich?

Oh ja, das war unfassbar. Ich war eh schon in Ekstase, weil der Song bereits in Italien auf der Eins war. Dass JLo dazukam, hat das Level an Erwartungen und Freude gesprengt. Der Videodreh mit ihr in New York war super. Sie ackert einfach so viel und ruht sich nicht auf ihrem Erfolg aus.

Scheint, als habe die Popqueen eine Art Vorbildfunktion für dich.

Sie ist der Beweis dafür, dass es auch Popstars gibt, die nicht abheben. Aber genauso auch Phil Collins. Ich hatte das Glück, vor einiger Zeit mit ihm in Miami für einen guten Zweck gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Er ist schon immer ein riesiges Vorbild für mich, spätestens seit der Musik zum Film „Tarzan“. Er ist einfach ein gechillter Typ. Das hat mir erneut bewiesen, dass selbst die Größten sehr entspannt und respektvoll sein können.

Klingt nach zwei Höhepunkten in deiner Karriere, die für immer in Erinnerung bleiben werden. Aber drehen wir das Ganze mal um: Erinnerst du dich auch an Downs?

Klar, es gibt ständig Downs. Gerade befinde ich mich in einem Up, mein Song „Magia“ läuft im Radio rauf und runter. Aber ich weiß jetzt schon, dass es in ein paar Monaten wieder einen Downer geben wird. Denn es müssen wieder mehr Songs kommen, die nicht alle so erfolgreich werden können. Das kann man in meiner Branche nie vorhersehen.

Was meinst du mit unvorhersehbar?

Alles, was mit Kreativität zu tun hat, ist instabil. Darunter fällt natürlich auch die Musikindustrie. Manchmal läuft es total gut, manchmal läuft es gar nicht. Es gibt viele Singles, die kein Radio spielt. Deshalb ist man ständig auf einem Rollercoaster.

Wie gehst du mit dieser Unbeständigkeit in deinem Job um?

Da spielen natürlich viele Gedanken und Emotionen mit. Ich versuche einfach, mich davon nicht stressen zu lassen. Ansonsten würde ich die Downs irgendwann nicht mehr verkraften können.

Wie kann man sich als Musiker:in in der heutigen Zeit am besten darauf einstellen?

Wenn man heute Musik macht, ist es total wichtig, sich innerhalb der Musik schon mal breit aufzustellen. Heißt: Ich empfehle zum Beispiel, nicht einfach nur zu singen. Man sollte zusätzlich mindestens ein Instrument spielen können, weil dir die meisten in deiner Branche sonst voraus sein werden.

Du bist nicht nur Musiker, sondern auch Teil von Castingshows, engagierst dich für soziale Zwecke, jetzt kommt dein erstes Buch. Wie wichtig sind dir andere Projekte?

Manchmal reicht es einfach nicht, Musiker zu sein. Manchmal muss man sich erweitern. Das ist für mich ein Must, auch wenn da wahrscheinlich jeder anders denkt.

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