Innovation & Future Vedra macht CBD-Gleitgel, aber in cool und ohne Piña Colada-Duft

Vedra macht CBD-Gleitgel, aber in cool und ohne Piña Colada-Duft

Im Grunde genommen habe er damit begonnen, erst mal in die Drogerie zu gehen und zu checken, welche Gleitgele es bereits gibt. „Da ist aber alles knallbunt“, sagt er. Weiter ging es mit einer großen, anonymen Umfrage zum Sexual-, aber auch Konsumverhalten. „Uns wurde dann bewusst, dass über die Hälfte der Befragten nicht wussten, von welcher Marke ihr Gleitgel ist. Ich dachte mir: Es kann doch nicht sein, das ist eines der intimsten Produkte, die man verwendet. Wieso kann man sich dann nicht damit identifizieren?“

Bei der Umfrage ging es aber nicht nur um bestehende Produkte, sondern um die tatsächlichen Pain-Points damit. „Wir haben mehrere Hundert Teilnehmer:innen befragt. Diese hatten oft ein Problem damit, wie Gleitgel in Deutschland aussieht und zusammengesetzt ist. Viele sagten, dass es klebt, nach Piña Colada oder Kirsche riecht und immer in Plastikflaschen verpackt ist. Es ist auch nie schön“, sagt er. Daher die Entscheidung für die Glasflasche. Das Gleitgel selbst ist auf Wasserbasis, klebt im Gegensatz zu anderen nicht und riecht nach Nadelholz.

Die Gespräche mit potenziellen Kund:innen seien vor allem wichtig gewesen, um zuzuhören und die Bedürfnisse der Menschen zu kennen, sagt Meise. Das sei ihm wichtig: dass er als Mann vor allem zuhört. Nicht nur bei der Marktforschung, sondern generell. Er legt viel Wert auf das Feedback, das bislang durchweg positiv ausgefallen sei. Entsprechend selbstkritisch spricht er auch über Männlichkeit: „Für mich steckt beides in einem, Männlichkeit als auch Weiblichkeit. Und man kann nur so männlich sein, wie man auch die weibliche Seite zulässt“, sagt Meise.

Die Idee zum Namen kam Meise während eines Urlaubs auf Ibiza. „Es Vedrà ist ein Felsen, zu dem die Menschen gehen, um in den Moment und zu sich selbst zu kommen“, sagt Meise. „Es ist ein sehr spiritueller Ort, sehr kraftvoll und frei.“ Der Sage nach soll an diesem Ort auch die Göttin der Fruchtbarkeit geboren worden sein, es gebe dort also jede Menge weibliche und sexuelle Energie. Kraftvoll und frei: Meise schwebten diese Begriffe gleich auch als Versprechen seiner Marke vor.

Echte Sex-Aristokratie

Finanziert wird das Startup derzeit vor allem durch Bootstrapping, aber auch durch Friends- und Family-Investments, wie er es nennt. „Damit sind wir sehr sparsam umgegangen. Wir wollten erst mal reichlich Feedback sammeln und Break-even mit dem Startkapital sein, was wir geschafft haben. Jetzt kann man skalieren“, sagt er.

Dass ihm bei all dem seine Herkunft in die Karten spielt, ist Meise bewusst. Seine Mutter Christine Meise, sagt er, habe in den 90er-Jahren in Bremen den ersten Erotikshop für Frauen gegründet. Das wiederum inspirierte seine Eltern dazu, zusammen das Sextoy-Unternehmen Fun Factory zu gründen, welches sein Vater Dirk Bauer nach wie vor führt. Das Thema Sexualität sei innerhalb seiner Familie also schon immer offen und aus unternehmerischer Sicht besprochen worden, sagt Meise – er habe nie ein Aufklärungsgespräch gebraucht: „Ich bin früher schon mit meiner Schwester mit unseren Kinderrollern durch die Fabrik gefahren.“

Dass er nicht ins Familienunternehmen einsteigt, sondern sein eigenes Ding macht, sei für seine Familie immer in Ordnung gewesen. „Dennoch hilft es mir natürlich ungemein, dass ich diesen Background habe. Gleichzeitig will ich natürlich eine gewisse Distanz wahren“, sagt Meise.

Eine Kooperation mit der familiär verbündeten Fun Factory und Cheex ist für Meise und Vedra bereits der zweite größere Schritt seit der Gründung. Der erste war das Kampagnen-Shooting. Meise wollte nämlich nicht nur einen eleganten Flakon, sondern auch eine Kampagne, die professionell auftritt.

Dazu wird an einem Samstag in einem Fotostudio in Kreuzberg geshootet. Morgens werden Models fotografiert, am Nachmittag Still-Life-Fotos. Fast das ganze Team ist mit am Set. Eliza Lawrence als Creative Director und Elena Flir als Marketingpraktikantin, die alles für Social Media festhält. Nur Martin Skoba, der Head of Visual Branding, konnte an dem Tag nicht dabei sein. Außerdem sind eine Fotografin, ein Videograf und eine Set-Designerin dabei. Im Nebenraum warten der Besitzer und die Besitzerin des Studios mit ihren Kindern.

Die Stimmung ist ruhig, trotzdem angespannt. Es gibt kaum Anweisungen, höchstens behutsame Änderungsvorschläge: „Sollen wir die Vase lieber auf die andere Seite des Nachttischs stellen?“, fragt Meise einmal. Mehr nicht. Sobald fotografiert wird, halten alle die Luft an. Nach ein paar Sekunden kommt die nächste Szene, dann wird die Vase noch mal neben den Nachttisch gestellt oder der Gleitgelflakon noch mal poliert. „Ich bin die Fingerabdruck-Polizei, habe also heute die ganze Zeit darauf geachtet, dass nirgendwo Abdrücke sind“, sagt Meise. Ansonsten hält er sich eher im Hintergrund. Im Vorfeld habe er das Moodboard erstellt und seine Vorstellungen geteilt. Am Set steht Meise am Rand und teilt eines seiner Learnings: „Man muss lernen, Verantwortung abzugeben. Vor allem, wenn alle fest definierte Aufgaben haben, kann ich nicht reinreden.“ Tatsächlich steht er ganz ruhig da und spricht kaum ein Wort.

Bis 17 Uhr war das Shooting geplant, es ist auf die Minute genau vorbei. Meise freut sich über den eingehaltenen Zeitplan, er ist jetzt sichtlich erleichtert. Er gibt Highfives, umarmt die anderen und scheint zufrieden zu sein. Requisiten werden weggeräumt, Fotolichter und Leinwände abgebaut, das Gleitgel wandert zurück in die Verpackung. Meise greift sich den Staubsauger und macht abschließend alles sauber, bevor er einen Teil der Utensilien zum Auto trägt. Mag die Revolution des deutschen Sexual-Wellbeing-Marktes überfällig sein – wenn man Meise an diesem Samstag bei den unternehmerischen Graswurzel-Tätigkeiten zusieht, merkt man, dass sie offenbar noch ganz, ganz weit am Anfang steht.

Trotzdem: Nach Beate Uhse, die den Erotikmarkt in den 60er-Jahren geprägt hat, und der Ära der bunten Sextoys von Fun Factory könnte es wieder Zeit sein für eine neue Phase: Fritz Meises Phase.

Es ist wieder soweit: Unsere neue Ausgabe ist da. 172 druckfrische Seiten mit einer Menge Storys und Persönlichkeiten zum Dossier-Thema „Green“. Außerdem: Wie ein Podcaster eine eigene Pasta-Sorte schafft, wie ein Gründer:innen-Netzwerk in Südafrika Artenschutz vorantreibt und wie David Brunier die am schnellsten wachsende Kaffeekette der Welt baut. Ab zum Kiosk oder zum Aboshop.

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