Life & Style „Ich vergleiche das gerne mit dem Bitcoin-Rausch“ – der Gründer von 7 Perplex im Interview

„Ich vergleiche das gerne mit dem Bitcoin-Rausch“ – der Gründer von 7 Perplex im Interview

Der Sneaker-Zweitmarkt hört nicht auf zu boomen, und schlaue und agile Anbieter wie 7 Perplex nutzen den Dauerhype. Wir haben mit dem Gründer Philipp Kassel über Schuhe, schönen Schein und shady Deals gesprochen.

Herr Kassel, wie wurden Sie zum Sneakerhead?

Das begann mit einem Konzert von Jay-Z und Kanye West, die mit der „Watch the Throne“-Tour in Frankfurt Station machten. Ich war vor allem ein Fan von Kanye, hatte aber von Sneakern keine Ahnung. Ein Freund und ich haben damals zehn Stunden bei miesem Wetter vor der Festhalle gecampt, weil wir unbedingt in der ersten Reihe vor der Bühne stehen wollten. Kanye erstmals in Deutschland – das war unsere Chance.

Und wie kamen Sie auf die Schuhe?

Als Kanye dann auf der Bühne stand, sind mir sofort seine ganz besonderen Schuhe aufgefallen: Nike Air Yeezy 2, in die ich mich direkt verguckt habe. Als Erinnerung an dieses geile Konzert wollte ich die später unbedingt haben, doch weder bei Foot Locker noch bei Nike oder Sportscheck hatte ich Glück.

Irgendwann sah ich sie zufällig auf Ebay, für 20 000 Euro. Das war als Azubi bei der Commerzbank ein unerreichbarer Betrag. Jahre später versuchte ich es über die Adidas-Website, doch auch dort konnte ich mich bei dem Andrang nicht durchsetzen. Da war mein Ehrgeiz endgültig geweckt.

Anfang 2017 hat das dann geklappt.

Ja, ich hatte für eine Verlosung in einem Kölner Store mich, einen Kumpel und meine Mutter eingetragen – und gleich dreimal den Adidas Yeezy Boost 350 V2 Black Red gewonnen. Die kosteten damals 220 Euro pro Paar, vor dem Laden haben Leute schon über 500 Euro geboten. Ich habe die Sneaker dann später verkauft und 1 000 Euro Gewinn gemacht.

„In der Jogginghose statt im Anzug.“

Das war also das Erweckungserlebnis, das Ganze unter geschäftlichen Aspekten zu betrachten?

Richtig, ich habe im gleichen Jahr mein Business 7 Perplex angemeldet. Das war ein Thema, mit dem ich mich identifizieren konnte. Noch dazu in der Jogginghose statt im Anzug wie in der Bank. Mit freier Zeiteinteilung und ohne dass es jemanden stört, wenn ich bei der Arbeit Kopfhörer in den Ohren habe.

Klingt, als hätten Sie Ihren Traumjob erschaffen.

Wobei sich das oft leichter anhört, als es ist. Vor Corona war ich jedes Wochenende für Breuninger und die KaDeWe-Gruppe in einer anderen deutschen Stadt, mit 600 Schuhkartons im Transporter. Auspacken, zwölf Stunden verkaufen und netzwerken, am nächsten Tag noch mal und dann alles einpacken und stundenlang durch die Nacht nach Hause fahren. Das schlaucht ganz schön, aber es ist eine Leidenschaft für mich geworden.

Wie verläuft denn die Lieferkette, woher bekommen Sie die seltenen Sneaker?

Das hat sich in den letzten Jahren stark verändert. 2017 gab es noch Campouts und aufwendige Instore-Raffle-Events, welche heute weitestgehend durch Online-Raffles und Botting ersetzt worden sind. Am Release-Tag standen so gut wie immer bis zu 20 Interessent:innen mit dicken Bündeln Cash vor dem Laden, um den Gewinner:innen die Schuhe direkt abzukaufen. Die Paare, die nicht direkt vor dem Geschäft worden sind, landeten damals in der Regel bei Ebay, Kleiderkreisel und Ebay Kleinanzeigen.

Und heute?

An die Stelle dieser Quellen ist nun das Backdoor Game gerückt. Dabei halten manche Stores in Europa einen Teil der Lieferung einer Marke zurück. Diese Sneaker werden nicht verlost. Es werden beispielsweise von insgesamt 300 Schuhen rund 100 über Mittelsmänner an seriöse und stillhaltende Wiederverkäufer:innen wie mich verkauft. Für einen höheren Preis als die UVP der Hersteller:innen, denn sowohl die Ladeninhaber:innen wie auch die Vermittler:innen kassieren natürlich mit.

Wenn man größere Mengen abnimmt, dann lohnt sich das noch. Auch die sogenannten Botter bieten bei vielen Releases bezahlte Checkouts an und suchen Abnehmer für ihren eigenen Bestand.

Und die berüchtigten Bots?

Das ist natürlich noch deutlich komplexer, da geht es um Residential-Sneaker-Proxies, die vor IP-Blocks schützen sollen. Außerdem sind das Hochleistungsserver, über die die Botprogramme wesentlich besser performen als auf dem heimischen Rechner. Selbstverständlich müssen die Einstellungen bei jedem Drop nochmal neu angepasst werden. Eine fachliche Community im Hintergrund rundet das Bild des Botting ab.

Klingt nach Graumarkt und Schattenwelt – oder nicht?

Diese Branche ist schon ein bisschen shady. Vor allem, weil es sehr wenige Player mit angemeldetem Gewerbe gibt. Privatpersonen beherrschen den Markt. Das wird sich in den nächsten Jahren sicher etwas professionalisieren, noch aber bewegen sich einige Kids ahnungslos an der Grenze zur Steuerhinterziehung. Ich vergleiche das gern mit dem Bitcoin-Rausch, wo viele jahrelang im Dunkeln tappten, ob da Kapitalertrag- oder Abgeltungsteuer anfällt oder nicht.

Gab es mulmige Momente im Job?

Ein krasses Erlebnis hatte ich 2019, als der Yeezy Boost 350 V2 komplett in Schwarz herauskam. Da habe ich mich in Kassel mit dem Zwischenhändler eines Backdoor-Stores auf einem Parkplatz getroffen. Es ging damals um 70 oder 80 Paar Sneaker aus der EU, das genaue Land sage ich nicht. Ich hatte um die 25 000 Euro in bar dabei und habe erst einmal jeden einzelnen Schuh sorgfältig überprüft. Dann gab’s Geld gegen Ware – und wir sind beide wieder losgefahren.

Klingt nach einer Szene aus dem „Tatort“.

Hört sich so an, oder? Aber ich war nicht allein, wir haben den Übergabeort auch ganz bewusst ausgewählt: am helllichten Tag, auf einem Gelände mit Kameraüberwachung und anderen Menschen. Vor dem Kauf habe ich mich natürlich mit meinem Steuerberater ausgetauscht. Das Ergebnis: Solange ich eine Quittung habe und den Einkauf entsprechend angebe, sollte ich mir keine Gedanken machen. Trotzdem, das war nicht so ohne …

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