Green & Sustainability VIDAR Sport: „Wir sind mehr Aktivisten als ein Sportmodelabel“

VIDAR Sport: „Wir sind mehr Aktivisten als ein Sportmodelabel“

Seinen Marketing-Background merkt man Christoph Behroz, 35, direkt an. „Könntet ihr unseren Markennamen VIDAR in Großbuchstaben schreiben? So ist es CD-konform.“ Können wir. Behroz Gründerpartner Rouven Kneipp hat einen IT-Background, zuletzt hat er bei der Deutschen Bahn gearbeitet.

Zusammen haben sie vor einem Jahr in Frankfurt das nachhaltige Sportmode-Label VIDAR Sport gegründet, bei dem sie komplett auf Plastik verzichten. Ihre Verpackungen sind aus Papier, die Kleidung ist aus Tencel, produziert wird in Portugal.

Wir haben mit Behroz über sein Label und die ersten Monaten seit der Gründung gesprochen.

Du kommst aus dem Marketing, Christoph, Rouven aus dem IT-Bereich – wie seid ihr dazu gekommen, ein nachhaltiges Sportmodelabel zu gründen?

Mein Co-Founder Rouven und ich haben uns vor anderthalb Jahren übers Tennisspielen kennengelernt und mit ein paar anderen Jungs eine Mannschaft gegründet. Und es war dann beim allerersten Mannschaftsabend, wie man sich das so klischeeartig vorstellt, dass wir bei einem Bier in der Kneipe gemerkt haben, dass wir beide auch so ein Nachhaltigkeits-Ding haben.

Rouven meinte, dass er es total doof findet, dass sich das noch nicht verbinden lässt, Sport und Nachhaltigkeit. Darüber haben wir diskutiert und uns gefragt, warum es denn keine nachhaltigen Sport-Brands gibt. Ich dachte dann, dass es bei Sportkleidung wahrscheinlich extra schwer ist, einen geeigneten Stoff zu finden. Denn Biobaumwolle, womit die meisten nachhaltigen Labels sonst arbeiten, eignet sich halt nicht.

Warum eignet sich Biobaumwolle nicht?

Biobaumwolle ist ein super schönes Material, aber es ist recht schwer, nicht atmungsaktiv und saugt sich mit Schweiß voll. Beim Sport hast du einfach andere Ansprüche, da muss der Stoff leicht sein, super reißfest sein und muss atmen können. Bislang ist da Polyester das Mittel der Wahl.

Aber Rouven meinte dann: „Ich hab schon mal von diesem Tencel gehört, aus Holzfasern. Kennst du das?“ Ich kannte es nicht, fand es aber direkt spannend und hab mich zuhause dazu belesen. So ist die Sache dann irgendwie gewachsen.

Hier laufen zwei Models, nicht die Gründer. Bild: VIDAR Sport

Was waren eure ersten Schritte nach dem Abend in der Kneipe?

Wir haben wir einfach angefangen. Und haben uns wirklich from scratch alles nach und nach erarbeitet, das Wissen über Materialien, Produktionsstätten, Designs, Marketing, et cetera.

Und das Ganze auch noch während Corona.

Ja, in der Tat, was auch hier und da eine Schwierigkeit war. Gerade als wir anfangen wollten, standen die Produktionsstätten in Portugal still, weil Corona da ja auch ziemlich heftig zugeschlagen hat. So kam es zu Verzögerungen. Ursprünglich wollten wir im Juli rauskommen, dann ist es doch September geworden. Aber ja, ist halt so in dieser Zeit.

Bei LinkedIn habe ich gesehen, dass du noch als Head of Marketing angestellt bist. Läuft VIDAR dann nebenbei?

Ich bin noch normal angestellt, ja. Rouven widmet sich ganz VIDAR. Da er jetzt gerade zum zweiten Mal Vater geworden ist, passt das ganz gut, die Alternative wäre gewesen, sich ein Sabbatical zu gönnen. Rouven kann also im Moment ein bisschen mehr Zeit reinstecken als ich, trotzdem sind wir natürlich gleichberechtigt.

Für mich ist VIDAR wirklich so ein Feierabend- und Wochenend-Projekt, was es ab und zu mal echt knackig und sportlich macht. Aber – das klingt jetzt mega abgedroschen – wenn du etwas machst, wo du Spaß dran hast, dann fühlt sich es halt nicht wie Arbeit an. Bisher klappt das auch noch ganz gut.

Und die Hoffnung ist, dass man da irgendwann vielleicht doch noch mehr Zeit reinstecken kann, wenn es sich auch finanziell trägt. Aber für den Moment ist es absolut okay so.

Wie finanziert ihr euch bislang?

Wir haben alles selbst finanziert. Jeder von uns hat 10.000 Euro als Startkapital gegeben. Das ist nicht wenig Geld, ohne Zweifel. Aber es ist stemmbar. Und das ist ja auch das Schöne heutzutage, wenn man nur digital vertreibt. Wir haben weder Store noch Personal, das wir bezahlen müssen. Das ganze Geld haben wir in die Produktion gesteckt, in den Online-Shop und Shootings et cetera. That’s it. Und jetzt sehen wir zu, dass wir alles wieder reinholen, damit wir weitermachen können.

Klingt gut. Wie groß war eure erste Bestellung?

Das waren tausend Teile, alles zusammen.

Ihr arbeitet jetzt ziemlich genau ein Jahr an VIDAR Sport. Was hast du in den letzten Monaten seit der Gründung gelernt?

Ich habe in diesem einen Jahr Gründerzeit gelernt, so krass mit Unwägbarkeiten umzugehen und immer einen Plan B zu haben. So viele Details sind einfach schiefgegangen. Wir hatten am Anfang ganz andere Designs, bis wir hörten: „Ihr könnt aber nicht einfach nur hier in dem weißen Stoff Einsatz haben, weil dann müsst ihr eine Mindestmenge von Stoff X abnehmen und das lohnt sich gar nicht.“ Und plötzlich musst du dein Design wieder umschmeißen.

Oder: Du hast eigentlich alles fertig. Dann gehen in Portugal wegen Corona die Produktionsstätten zu und du musst erst mal wieder warten.

Dann: Wir wollten ein Fotoshooting machen. Eine Woche vorher kommt die Info aus Portugal: „Yo, wir können euch die Teile nicht rechtzeitig liefern.“ Und plötzlich cancelst du das Shooting. Fotograf*innen, Models, alles weg. Wir planen also das zweite Shooting. Zwei Tage vorher reißt sich unser männliches Model aus Kreuzband – puh.

Was ist aktuell die größte Challenge für euch?

Die größte Herausforderung ist natürlich gerade, bekannter zu werden, und das mit mehr oder weniger nicht vorhandenen Mitteln. Wir können jetzt halt keine krasse Marketingkampagnen fahren.

Und ja, ansonsten einfach mehr Leute auf das Thema aufmerksam zu machen und aufzuklären. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir mehr Aktivisten sind, als eine Brand. Aber das ist auch okay. Wir machen das ja nicht aus Profit-Gedanken, sondern weil wir eine Veränderung anstoßen wollen.

Und deswegen bin ich auch der Letzte, der sich darüber beschwert, wenn Adidas und Nike mit auf den Zug aufspringen. Ich freue mich eher darüber.

Habt ihr zwischenzeitlich überlegt, hinzuschmeißen?

Ja, schon. Es waren so viele Sachen, dass wir uns immer wieder gefragt haben: Ist es den Stress noch wert? Da war es ein Segen, dass wir zu zweit sind. In schwierigen Situationen war immer einer in der Lage, den anderen hochzuziehen. Wahrscheinlich haben wir es auch nur deswegen bis hierhin geschafft. Alleine hätte ich schon ein paar Mal aufgegeben.

Und die Community ist einfach gold wert. Man lernt so viele Leute kennen, die auch so eine Passion für die ganze Sache haben. Das macht einfach total Spaß.

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