Leadership & Karriere Warum Führungskräfte ihr Team mit Empathie leiten sollten

Warum Führungskräfte ihr Team mit Empathie leiten sollten

Ein Gastbeitrag von Dieter Lederer

Es gibt Situationen in Unternehmen, die spielen sich wie folgt ab: „Wenn es mit der neuen Produktgeneration in einem Jahr nichts wird, dann machen wir euren Bereich dicht und kaufen ein Unternehmen zu!“ Das waren die Worte des CEO, bevor er abrauschte und ein desolates, frustriertes Team hinterließ.

Ein Jahr war schon um, der Fortschritt weit hinter Plan, die abstrus hoch gesteckten Anforderungen kaum zu bewältigen. Doch was sollte das jetzt? Der*die CEO tickte doch nicht mehr richtig. Dabei hätte er ahnen können, dass der Schuss nach hinten losgeht.

Seine Angst und seinen Ärger geradeheraus am Team auszulassen, erwies sich als Bumerang. Wesentlich klüger wäre es gewesen, zu erspüren, was um ihn herum los ist, und so zu reagieren, dass das Team ihm emotional gewogen bleibt – oder anders ausgedrückt: Empathie walten zu lassen.

Wozu?

Auf einen einfachen Nenner gebracht, bedeutet Empathie in der Führung, die eigenen Mittel so zu wählen, dass Mitarbeiter*innen, die folgen sollen, sich in vertrauensvoller Verbundenheit auf die gewählte Richtung einlassen.

Der Vorteil liegt auf der Hand und ist von der Neurobiologie wissenschaftlich belegt: Menschen brauchen eine Umgebung des Vertrauens, der Zugehörigkeit und der Nähe, um ihr volles Engagement abzurufen, um mitzugestalten, sich zu entwickeln und am Ende vielleicht sogar über sich hinaus zu wachsen.

In einer Atmosphäre von Anspannung, Druck, emotionaler Kälte oder gar Einschüchterung bleibt all das auf der Strecke. Mitarbeitende werden zu Befehlsempfänger*innen und Pflichterfüller*innen, sind nur halbherzig dabei oder suchen ganz das Weite.

Empathie ist kein Weichspüler

Es ist eine kluge Entscheidung, auf Empathie zu setzen, denn darin steckt ein klarer und nachweisbarer unternehmerischer Vorteil – entgegen der landläufigen Meinung, das sei weichgespülte Gefühlsduselei à la „Wir haben uns alle lieb“, die im harten Wirtschaftsleben nichts zu suchen habe.

Das Verhaltensspektrum empathischer Führung reicht von demütiger Handreichung und Unterstützung bis hin zu knallharter Richtungsweisung und Taktvorgabe, je nach Situation und emotionaler Befindlichkeit der Mitarbeiter*innen. Keinesfalls geht es darum, Everybody’s Darling zu sein und sich damit zum Spielball der Umstände und der Bedürfnisse anderer zu machen.

„Fakten bringen zum Denken, Emotionen bringen zum Handeln“, lautet die alte Weisheit, die das Geheimnis der Wirkung von Empathie auf den Punkt bringt. Die eigentliche Triebfeder unseres Handelns sind unsere Gefühle, nicht unser Kopf. Alle, die schon einmal mit dem Rauchen aufhören, mehr Sport machen oder abnehmen wollten, und es dann doch nicht getan haben, wissen das.


Dieter Lederer ist Veränderungsexperte. Er verhilft Unternehmen in Zeiten rapiden Wandels zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil: gelingende Transformation ©Lederer

Sich darin einzufühlen, wie es Mitarbeiter*innen geht, und das im eigenen Reden und Handeln widerzuspiegeln, führt zu emotionaler Verbundenheit und folglich zu Handlungs-Energie – sowie zum Ausbrechen aus der dysfunktionalen Rationalitäts-Doktrin der Wirtschaft, die sich über die letzten beiden Jahrzehnte hinweg selbst ad absurdum geführt hat.

Wie geht Empathie?

Wer sich für andere öffnen will, möge bei sich selbst beginnen. Sich selbst zu spüren, ist essenziell dafür, andere zu spüren. Das Augenmerk gilt dabei den unwillkürlichen Reaktionen, die quasi automatisch und ungefiltert aus dem Rückenmark kommen.

Sie fußen auf Werten und Überzeugungen, die der einzelne Mensch im Lauf seines Lebens erworben hat. Mal sind diese nützlich, in anderen Situationen wiederum schädlich, wie die Drohgebärden des CEO im obigen Beispiel zeigen.

Bei sich

Diese Zusammenhänge transparent zu machen, hat einen doppelten Effekt: Einfühlung in sich selbst zu entwickeln und das eigene Verhalten besser steuern zu können. Die folgenden drei Schritte führen zur Einfühlung in sich selbst:

-Das eigene Verhalten und Gefühle beobachten: Wie reagiere ich in welchen Situationen? Welche Gefühle stecken dahinter und wovon werden diese ausgelöst? Basisgefühle: Freude, Überraschung, Vertrauen, Ärger, Angst, Trauer, Ekel, Scham, Schuld.

-Die Werte freilegen, die die Gefühle speisen: Was ist mir so wichtig, dass ich mit Ärger oder Freude reagiere, wenn ich es vermisse oder spüre?
Häufig auftretende Werte: Leistung, Erfolg, Selbstbestimmung, Anerkennung, Zuverlässigkeit, Freundschaft, Familie.

-Die Wirkung der eigenen Werte antizipieren: In welcher Situation werden mir meine Werte eher nutzen oder eher schaden? Wie fördere ich Nutzen und verhindere Schaden?

Da uns die vorbehaltlose Auseinandersetzung mit uns selbst nicht in die Wiege gelegt ist, braucht dieser Prozess der Selbstklärung oft externe Unterstützung. Keinesfalls jedoch führt ein Weg daran vorbei. Versuche, Empathie lediglich als kopfgesteuertes Führungsinstrument anzuwenden, gehen schief, denn sie werden schnell als die Täuschung entlarvt, die sie sind.

Bei anderen

Derart bei sich selbst angekommen, geht es schließlich darum, emotional bei den Mitarbeitern anzudocken. Das gelingt mi den folgenden drei Schritten zur Einfühlung in andere Menschen:

-Verhalten und Gefühle beobachten: Wie reagieren andere in welchen Situationen und was sagt das über ihre Gefühle aus?

-Gefühle antizipieren: Welche Gefühle mögen andere angesichts besonderer Situationen haben, z.B. bei bevorstehenden Veränderungen?

-Auf die Gefühle eingehen: Wie würdige ich die Gefühle anderer und bleibe gleichzeitig bei meinen Zielen?

Empathie wirkt!

Der*die CEO aus dem Eingangsbeispiel wäre gut beraten gewesen, das Missverhältnis zwischen Motivation und Überforderung des Teams wahrzunehmen sowie würdigend anzusprechen und zu hinterfragen. Seine Ängste und seinen Ärger hätte er ohne Anklage thematisieren sollen. Damit wären seine Emotionen klargeworden, doch er hätte beim Team Verständnis statt Gegenwehr hervorgerufen.

Basierend darauf wäre es dann leicht gewesen, gemeinsam nach vorne zu schauen – lösungsorientiert statt problemorientiert: Was können wir gemeinsam tun, um schneller voranzukommen? Was braucht ihr dazu von mir? Was könnt ihr ohne mein Zutun verbessern? Damit hätte sich der Blick für Möglichkeiten geöffnet statt in der Kritik stecken zu bleiben.

Empathie ist ein mächtiges, jedoch viel zu wenig verbreitetes Führungswerkzeug mit nachweislich positiver Erfolgsbilanz. Sie führt dazu, dass Menschen sich gesehen, respektiert, gewürdigt fühlen und folglich auch emotional bereit sind, sich einzusetzen und zu entwickeln. Dieses Mehr an Führungswirksamkeit ist der entscheidende unternehmerische Nutzen, der ohne Empathie entweder nur zufällig oder überhaupt nicht erreicht wird.  

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