Leadership & Karriere Essbare Löffel und veganes Leder aus Pilzen: Wie nachhaltige Produkte die Welt verbessern

Essbare Löffel und veganes Leder aus Pilzen: Wie nachhaltige Produkte die Welt verbessern

Amberskin: veganes Leder

Auch Michelle Grüne und Arved Bünning, die zusammen das Unternehmen Amberskin gegründet haben, treibt die Vision einer nachhaltigeren Welt. Ihr Unternehmen wurde ebenfalls als Kultur- und Kreativpiloten Deutschland 2019 ausgezeichnet.

Und auch ihr Produkt ist essbar – zumindest theoretisch. Dafür gedacht ist das vegane Leder auf Basis eines Pilzes, das vollkommen ungiftig und kompostierbar ist, aber natürlich nicht.

Foto: Laurent Hoffmann

„Wir wollen tierisches Leder und Kunstleder aus Plastik langfristig künftig möglichst in all seinen Anwendungen ersetzen“, sagt Arved. Was nicht viel weniger als eine Revolution des bestehenden und milliardenschweren globalen Ledermarkt bedeutet.

Die ökologischen und sozialen Vorteile, die das vegane Leder mitbringt, sind enorm: Um ein Kilogramm tierisches Leder herzustellen, werden etwa 17.000 Liter Wasser und rund zwei Kilogramm Chemikalien benötigt. Ein Großteil davon sind Chromsalze, die zum Gerben der Häute eingesetzt werden und bei falscher Anwendung, unsachgemäßem Transport oder unreinem Salz zu giftigem Chrom VI werden können.

Trotz 2015 eingeführter EU-weiter Auflagen geht das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) davon aus, dass immer noch rund fünf Prozent der Lederprodukte den zulässigen Chrom-VI-Grenzwert von drei Milligramm pro Kilo überschreitet.

Foto: Arved Bünning

„Ein Kilogramm unseres veganen Leders benötigt gerade einmal 50 Liter Wasser – das sind 0,3 Prozent der für tierisches Leder verwendeten Menge“, erklärt Michelle. Darüber hinaus könne ihr Produkt in zwei Monaten und jeder Form, Farbe, Stärke und Größe individuell für den gewünschten Einsatzzweck produziert werden.

Herkömmliches Leder hingegen brauche zwei Jahre für die Aufzucht der Rinder und dann noch einmal ein Jahr für den Gerbprozess der Häute, bei dem die Abwässer in den lederproduzierenden Ländern vielfach ungefiltert in Trinkwasser-Flüsse geleitet werden. Ganz zu schweigen von sehr schlechten Arbeits- und Sicherheitsbedingungen für die Arbeiter*innen.

Der für Michelle und Arved persönlich wichtigste Punkt, der sie vor vier Jahren auf die Idee für das Material gebracht hat, ist aber die Vermeidung von Tierleid.

Rund eine Milliarde Tiere schlachtet die globale Lederindustrie pro Jahr, schätzen Tierschutzorganisationen. „Viele davon, insbesondere die Rinder, werden auf engstem Raum gehalten, stark gemästet und unnatürlich früh getötet“, sagt Arved. „Wir beide sind Veganer und dachten, das muss doch menschen- und tierfreundlicher machbar sein.“

Foto: Laurent Hoffmann

Was damals mit Pilzkulturen in Wannen und Eimern begann, die sich über die gesamte WG der beiden damaligen Industriedesignstudierenden erstreckten, ist heute zum handfesten Hightech-Unternehmen mutiert.

Aktuell arbeitet Michelle, die zwischenzeitlich ein Chemieingenieurstudium in Braunschweig begonnen hat und nun kurz vor dem Abschluss steht, an einer automatisierten Produktion, zu deren Details sie noch nicht viel verraten kann: „Sowohl unser Produkt als auch die gesamte Maschine mit ihrem vollkommen neuen verfahrenstechnischen Prozess wollen wir patentieren lassen.“

Letzteres werde noch eine Weile dauern. Eine Pilotanlage, mit der die ersten Kooperationen angegangen werden können, soll aber schon in Kürze stehen.

„Wir haben bereits Anfragen von interessierten Unternehmen aus allen lederverarbeitenden Industrien. Jetzt wollen wir das Material zusammen mit repräsentativen Schlüsselpartner*innen aus allen Branchen für die verschiedenen Warengruppen optimieren“, sagt Arved.

Ab Anfang nächsten Jahres soll ihr bisher selbstfinanziertes Unternehmen erstmals Geld verdienen. Der Trend und der gesellschaftliche Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit lassen einen langfristigen Erfolg von Amberskin erwarten.

Die Marktforscher*innen des US-indischen Unternehmens Grand View Research schätzen jedenfalls, dass der Weltmarkt für Lederalternativen innerhalb des nächsten Jahrzehnts auf ein Volumen von 85 Milliarden Dollar wachsen wird.

Von dem einen oder anderen Dollar für Amberskin sollte man da ausgehen.

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