Leadership & Karriere Tschau, Office! Werden Büros nach Corona aussterben?

Tschau, Office! Werden Büros nach Corona aussterben?

„The office is dead“ – so betitelte „Fast Company“ einen Artikel über eine Studie namens „How and When will America return to Work?“. Eines der Ergebnisse dieser Studie: Etwa 70 Prozent der befragten US-amerikanischen Unternehmen wollen ihren Mitarbeiter*innen freistellen, künftig weiterhin remote zu arbeiten, selbst wenn die Corona-Situation eine Rückkehr ins Büro erlaubt. Zwar will man das nicht der gesamten Belegschaft erlauben, aber immerhin 70 Prozent der Mitarbeiter*innen. 70 Prozent! Wow! Diese Zahlen deuten an, dass Büros in den USA radikal an Relevanz verlieren.

Wie aber sieht es in Deutschland aus? Geht der Trend in die gleiche Richtung? Wir haben uns bei fünf Unternehmen umgehört.

Fastic

Das Startup Fastic, Anbieter einer App zur Unterstützung des gerade sehr gehypten Intervallfastens, arbeitete vor der Coronakrise weitestgehend geschlossen vom Dresdner Büro aus. Die Option auf Homeoffice bestand zwar grundsätzlich, wurde aber selten in Anspruch genommen, sagt Fastic-Mitgründer Sebastian Wettcke.

Sebastian Wettcke, Co-Gründer von Fastic

Angestoßen vom Lockdown denkt das Startup nun über alternative Arbeitsmodelle nach und stellt seinen Mitarbeiter*innen künftig frei, ob sie zurück ins Büro kommen oder von woanders arbeiten wollen. „Wir möchten allen Mitarbeiter*innen den Raum geben, den sie brauchen, um sich wohlzufühlen“, sagt Wettcke, „denn wir sind überzeugt, dass das die Zukunft des Arbeitens ist.“

Wettcke schätzt, dass etwa die Hälfte der Belegschaft das Angebot nutzen wird. Dennoch wird Fastic im Zuge der internationalen Expansion schon bald in ein größeres Büro ziehen. Ungeachtet der eigenen Remote-Prognose rechnen die Dresdner also weiterhin mit dem Bedarf nach deutlich mehr Office-Space.

Nuucon

Bei Nuucon, einer Einkaufsplattform für Interior-Design-Projekte, sieht es deutlich anders aus. Da das Startup zwei Standorte in Hamburg und Bielefeld hat, war man hier ohnehin viel Remote-Work gewohnt. Homeoffice war jederzeit möglich und wurde gern genutzt – ein Kollege arbeitete sogar mal für ein paar Monate von Bali aus. Obwohl Nuucon-Gründer Pierre Haarfeld glaubt, dass ein Großteil seines Teams nach der Krise wieder zurück ins Office kommen will – „hauptsächlich für den Austausch, den Spirit und die bessere Ausstattung“ –, hat er eine steile Hypothese: „Aktuell rechnen wir damit, dass wir nur noch 30 bis 50 Prozent der Arbeitsplätze brauchen. Es wird viel mehr Rotation geben, und es wird öfter remote gearbeitet werden“, so Haarfeld.

Pierre Haarfeld, Gründer von Nuucon

Darum hat Nuucon den vor Corona geplanten Umzug in ein viermal größeres Office abgesagt. Stattdessen arbeitet das Startup an einem Plan, wie die vorhandene Fläche besser genutzt werden kann: Weniger Tische, dafür mehr Meeting-Räume? Weniger Bürofläche, dafür mehr Space für Interaktion? „Wahrscheinlich werden wir zukünftig gar nicht mehr genügend Arbeitsplätze für alle vorhalten“, sagt Pierre Haarfeld. „Dann muss man sich in einem System für das Büro einbuchen.“ Und das könnte laut Haarfeld eine interessante Konsequenz haben: „Ich glaube, das wird eine Begehrlichkeit nach dem Office wecken.“ Nuucon hat sich also schon sehr, sehr konkret damit befasst, wie sich die Rolle von Büros verändern wird. Und schlägt mit seinen Schätzungen in die gleiche Kerbe wie die US-Studie.

Microsoft

Auch von Microsoft Deutschland wollten wir wissen, welche Gedanken man sich um die Zukunft des Büros macht. Der Wechsel zu flächendeckender Remote-Arbeit war hier kein großes Ding, schließlich gilt Microsoft als First-Mover in Sachen New Work und digitaler Zusammenarbeit. Claudia Hartwich, Senior Director Human Resources bei Microsoft, sagt: „Flexibles Arbeiten gehört bei uns längst zum Alltag und wird von rund 90 Prozent der Mitarbeiter*innen genutzt. Es steht allen frei, ob sie im Büro, im Homeoffice oder vielleicht in einem Café nebenan arbeiten.“ Da die Büroflächen von Microsoft ohnehin auf dieses sogenannte „Hybrid Workplace Model“ optimiert sind, wird sich dort nach Corona vermutlich erst mal nicht viel ändern.

Claudia Hartwich, Senior Director Human Resources bei Microsoft

Dass das Büro gänzlich aussterben wird, glaubt Claudia Hartwich nicht: „Es wird immer Orte geben müssen, wo Menschen sich treffen, sich austauschen, Projekte besprechen oder bloß ein wenig plaudern“, so Hartwich. „Aber ob das in der gleichen Form sein wird wie vor der Krise? Ich weiß es nicht.“ Nun, man hängt sich wohl nicht allzu weit aus dem Fenster mit der Vermutung, dass Microsoft bei der Entwicklung neuer Konzepte vorne mit dabei sind wird.

Jägermeister

Okay, Fastic, Nuucon, Microsoft – alles digitale Unternehmen, die modernen Arbeitsformen von Hause aus aufgeschlossen sind. Wie sieht es aber bei Mittelständlern aus, die in puncto Digitalisierung meist großen Nachholbedarf haben? Wir haben bei Jägermeister nachgefragt. Andrea Ostheer von der Jägermeister-Unternehmenskommunikation sagt: Während in den Fabriken auch in den letzten Monaten durchgehend weiter produziert wurde, hat man so gut wie alle Büromitarbeiter*innen ins Homeoffice geschickt. Und dieser Schritt scheint laut Ostheer gar nicht so eine riesige Umstellung gewesen zu sein, wie man vermuten könnte: „Homeoffice oder Mobile Work war bereits vor Corona in nahezu all unseren Bereichen gelebte Welt; in Abstimmung mit den Teams und Vorgesetzten mitunter sogar ausdrücklich gewünscht.“

Andrea Ostheer, Unternehmenskommunikation Jägermeister

Grundsätzlich soll weiterhin die Möglichkeit bestehen, mobil zu arbeiten, aber Teile der Belegschaft sind schon jetzt regelmäßig zurück im Office. Ob und wie sich das Büroleben im Unternehmen verändern wird, da ist man bei Jägermeister noch etwas zögerlich: „Derzeit beginnen wir einen Dialog mit Führungskräften und Mitarbeiter*innen, um zu analysieren, wie die Arbeitswelt bei Jägermeister nach Corona aussehen kann“, sagt Andrea Ostheer. Safe to say: Beim Mittelstand wird es spannend.

Jung von Matt / Spree

Bleibt noch zu klären, welche Konsequenzen Kreativschaffende aus der Krise ziehen. Hat sich in der Zwangsisolation der letzten Monate herauskristallisiert, dass das bisherige Büro-Setting vielleicht gar nicht so ideal für kreative Einfälle und gute Copy ist? Flowt es in der häuslichen Isolation womöglich viel besser?

Henning Lisson, Creative Director bei Jung von Matt / Spree, sagt: „Ich kann nicht für das gesamte Unternehmen sprechen, nur für mein Berliner Team. Für uns macht Mobile Office den Prozess und die Organisation ein bisschen komplizierter, aber für Ideen und Kreativität ist das nicht hinderlich. Ich war eher beeindruckt, wie schlagkräftig und leistungsfähig wir waren und wie schnell gute, geile, weirde Sachen herauskamen.“

Trotzdem ist Remote-Arbeit in der Kreation keine optimale Lösung, da viel in Teams gearbeitet wird, selten alleine, sagt Lisson: „Da ist das Inselsein und für sich zu Hause sein Ding zu machen gar nicht so sinnvoll.“ Darum habe es bei seinen Mitarbeiter*innen eigentlich nie den großen Wunsch nach Remote-Arbeit gegeben. Aber auch, weil ihr Office keine „Großraum-Käfighaltung“ bedeutet, wie Lisson sagt, sondern wirklich schön ist und ein Umfeld bietet, das den Bedürfnissen der Mitarbeiter*innen entspricht. „Ich persönlich glaube: Man muss in Zukunft ein bisschen freier sein und die Leute da arbeiten lassen, wo sie wollen“, sagt Lisson. „Aber das Büro ist auf keinen Fall tot. Es bedarf einen Gemeinschaftsraum, wo man zusammenarbeitet.“

Fazit

Und das würden wir als Fazit unserer Recherche direkt so stehen lassen. Büros werden nicht abgeschafft, sie werden sich aber mit Sicherheit verändern. Wie genau, das hängt wohl größtenteils von euch ab. Davon, ob ihr nach Corona wieder 9-to-5 im Office rumhängt oder ob ihr das meist ausgeweitete Remote-Angebot in Anspruch nehmt. Gerade habt ihr also die einmalige Chance, die Arbeitswelt der Zukunft aktiv mitzugestalten. Nutzt sie und tretet mit euren Chef*innen in den Dialog!

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