Life & Style Der Moonshot: Wie die erste deutsche Frau ins All kommen soll

Der Moonshot: Wie die erste deutsche Frau ins All kommen soll

Die erste deutsche Frau soll nicht zum Selbstzweck ins All fliegen: Sie soll begeistern. Noch immer werden viele technische Berufe als Männerdomänen wahrgenommen. Und was ist technischer als Raumfahrt? Kessler: „Es gibt ein Gender-Bias-Problem bei der Esa.“ Deshalb müsse man Frauen gezielt anwerben. „Man sollte sich die Auswahlkriterien noch mal anschauen und gucken, ob die wirklich noch adäquat sind.“ Altes Problem: Frauen würden sich erst bewerben, wenn eine Stelle zu 100 Prozent zu ihnen passt. Zudem ist es unklar, wann die Esa wieder eine Astronautin ins All schickt.

Kann sich das Space-Business das heute noch leisten? Die Gesellschaft verändert sich. Es geht also nicht nur darum, eine Frau zur ISS zu befördern, es geht um die Message: Bewerbt euch, Frauen!

Interessieren sich mehr Mädchen für die Raumfahrt?

Insa Thiele-Eich: Natürlich interessieren sich Mädchen genauso wie Jungs für die Raumfahrt. Das sehen wir bei unseren Events an Schulen, oder an Tagen der offenen Tür. Da kommen viele Mädchen als Astronautinnen verkleidet, oder stellen interessierte Fragen. Es fehlt allerdings an der Sichtbarkeit von Vorbildern, und das wollen wir ändern. 

Warum ist das wichtig? 

In anderen Ländern ist das schon anders. In den USA ist die erste Mutter in den 80ern ins All geflogen, da ist es ganz normal dass Frauen und Mütter Astronautinnen sind.  Wenn ich mir den Wikipedia-Artikel zu deutschen Raumfahrern anschaue, sehe ich nur Männer. Ein Mädchen muss sich also ganz bewusst auf die Suche nach Vorbildern machen. Auch sonst merke ich leider manchmal, wie wenig die Gesellschaft besonders an arbeitende Mütter gewohnt ist.

Wie meinen Sie das?  

Oft wird mir gesagt, „also ich könnte das nicht. Ich will ja meine Kinder aufwachsen sehen“. Ich wäre bei meiner Mission ganze zwei Wochen im All, und bin natürlich auch dort nicht vom Erdboden verschluckt. Natürlich ist mein Pensum sehr intensiv, aber ich sehe meine Kinder genauso aufwachsen wie mein Mann. Mein Vater wurde übrigens in seiner ganzen Karriere nur wenige Male nach den Kindern gefragt.  

Was war ihr krassestes Erlebnis?

Als ich schwanger war, hat mir ein Mann erklärt, dass Frauen in der Schwangerschaft ihre Intelligenz einbüßen und nicht mehr arbeiten können – das sei wissenschaftlich erwiesen. Der Herr war im Management eines mittelständischen Konzerns tätig, und war so sehr davon überzeugt, dass ich ihn bat, mir doch einfach per Mail die Belege  dazu zu senden. Er hat sich tatsächlich gemeldet, und sich entschuldigt, er habe herausgefunden, dass es doch nicht stimmt. Ich frage mich aber, wie viele schwangere Kolleginnen die Auswirkungen seiner falschen Überzeugung schon spüren mussten.

Das Ziel in Sicht: 2021 wollen die Astronautinnen zur ISS. Foto: Wikimedia Commons

Kesslers Verbündete sind also jetzt US-Unternehmen wie SpaceX. Deren Dragon-Kapsel wird mehr Menschen ins All transportieren als die der russischen Kolleg*innen. Die SpaceX-Raketen sind zudem wiederverwendbar. Sie können öfters starten, was mehr Kapazität bei der Personenanzahl bedeutet.

„Wir haben auch einen Deal mit Axiom“, sagt Kessler. Axiom ist eine Ausgründung der Nasa und will im Jahr 2021 die erste kommerzielle Mission gemeinsam mit SpaceX starten. „Das sind dann Commercial-Crews“, sagt Kessler. Oder eben auch die deutsche Astronautin. Axiom und SpaceX werden so zum Reiseveranstalter für den Weltraum.

Nur ist die Raumfahrt ein Business mit vielen Unwägbarkeiten. Der technische Aufwand ist groß, vieles kann schiefgehen, und es gibt immer wieder Verzögerungen. „Das ist normal“, sagt Kessler. Bisher hängt alles daran, wann SpaceX die Kapsel fertig bekommt, die die Astronautinnen und Astronauten ins All befördert. „Wichtig war, dass das Mission-Abort-System funktioniert“, sagt Kessler, also ein System mit dem die Kapsel, in der die Raumfahrer sitzen, im Notfall geborgen werden kann. Das klappt erfreulicherweise bereits.

Doch Tests sind nur eine Sache. Die andere ist wie gesagt Geld. „Wir hoffen, dass die Bundesregierung zahlt“, sagt Kessler. Sieben Ministerien hat sie im vergangenen Jahr angehauen. Familienministerin Franziska Giffey signalisierte Interesse. „Nur von Worten bis zum Geld, das ist ein langer Weg. Das habe ich inzwischen gelernt“, sagt Kessler.

Auch die Esa ist skeptisch. „Wir haben ein Auswahlverfahren“, sagt Didier Schmitt, Koordinator Human and Robotic Exploration. Das sei klar und transparent geregelt. Er räumt ein, dass seine Behörde sich mehr anstrengen muss, Frauen anzusprechen. Bisher liege das Verhältnis von sich bewerbenden Männern und Frauen bei sechs zu eins – und ebenso hoch sei auch die Quote derer, die am Ende ausgewählt würden. Wenn die astronautische Raumfahrt aber kommerzialisiert würde, flögen auf einmal die mit Geld oder Einfluss ins All. Nicht mehr die, die die besten Gründe haben. Den Verein Die Astronautin erachtet er als einflussreich.

Aber noch sieht Schmitt ein Problem. Die Internationale Raumstation ist mit Steuergeldern der USA, Kanadas, Russlands, Japans und der Europäischen Union gebaut worden. Was, wenn jetzt einzelne Partner damit anfangen, Touristen zur ISS zu bringen und damit Geld zu verdienen? „Das ist eine moralische Grauzone“, sagt Schmitt. Es seien vor allem die USA, die eine Kommerzialisierung der Raumfahrt anstrebten. „Das ist eine Frage der Ideologie, in den USA ist alles liberalisiert“, sagt Schmitt.

Das Problem löst sich, wenn Axiom sein eigenes ISS-Modul ins All bringt oder es gar eine private Raumstation gibt. Dann können kommerzielle Astronautinnen und Astronauten dort untergebracht werden. Nur: „Das ist sehr kompliziert“, sagt Schmitt. „Man kann nicht einfach eine Raumstation bauen, auch nicht eine kleine.“

Schmitt ist sich sicher, dass sowohl die Agentur-Raumfahrt als auch die kommerzielle in Zukunft nebeneinander existieren werden. Es gibt ein neues Race for Space – erst zum Mond, dann sind astronautische Flüge zum Mars geplant. Schmitt skizziert, wie das gehen wird: Die Staaten gehen voran, die kommerzielle Raumfahrt wird folgen. „Wenn wir zurück auf dem Mond sind, werden die Erdorbits kommerziell erreichbar sein. Wenn wir auf dem Mars sind, wird der Mond kommerzialisiert sein“, sagt Schmitt. Und wir werden zum Mars fliegen, „da bin ich mir 100 Prozent sicher“.

Der neue Wettlauf ins All findet zwischen den USA und China statt. „Beide wollen das, beide werden das schaffen. Die Frage ist nur, wer dabei Erster sein wird“, sagt Schmitt.

So wird das Logo aussehen, das die erste deutsche Astronautin mit zur ISS nehmen wird. Foto: Die Astronautin

Frau Thiele-Eich, die Frage ist: Warum machen wir das, das ist teuer und gefährlich?

Das Überschreiten wollen von aktuellen Grenzen – dazu gehört auch die astronautische Raumfahrt – gehört für mich zum Menschsein dazu. Wieso steigen Bergsteiger*innen auf die höchsten Berge, oder warum wagen sich Menschen mit rudimentärer Technik in die Tiefsee? Da gehört viel Neugier dazu, und so gewinnen wir Erkenntnis nicht nur für die Forschung, sondern auch über uns als Menschen. Für mich ist Raumfahrt also auch etwas Kulturelles.  

Das ist alles? 

Durch die Forschung im All gibt es immer wieder Verbesserungen des Lebens auf der Erde. Teilweise liegen aber besonders von Frauen nur wenig Daten vor, z.B. wenn es um die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den weiblichen Körper geht. Deshalb ist es so wichtig, dass genau so viele Männer wie Frauen in den Weltraum fliegen. So profitieren auch Frauen von den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Übrigens glaube ich, dass Väter und Mütter sehr gute Astronaut*innen sind. 

Wegen der Kinder? 

Ja genau. Man ist vollkommen fremdbestimmt, man hat keine Zeit für sich selbst, man muss lernen, auch unter Stress die Nerven zu behalten und nicht gleich laut zu werden. Und das ganze auch noch jetzt in häuslicher Isolation – perfektes Training für einen Aufenthalt auf der Raumstation. Außerdem: Wir sollten die Erde als unser Raumschiff sehen, das sich mit einer sehr dünnen Atmosphäre durchs All bewegt. Und zu der Besatzung gehören wir Frauen dazu. 

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