Leadership & Karriere Drei Gründe, warum ihr euer Startup ohne Investor*innen hochziehen solltet

Drei Gründe, warum ihr euer Startup ohne Investor*innen hochziehen solltet

Ein Gastbeitrag von Martin Menz, Gründer und CEO von Relaxdays

Zugegeben: Ganz am Anfang stand bei mir auch das schnelle Skalieren im Vordergrund. Ich lieh mir 2.000 Euro von meinem Bruder, um schnell ein eBay-Business zu starten. Meinen ersten „Investor“ konnte ich dann aber bereits nach sechs Monaten wieder komplett „auszahlen“ und habe seitdem penibel darauf geachtet, ohne externes Venture Capital zu wachsen. Warum, erfahrt ihr hier:

Als 20-Jähriger teilte ich meinen Eltern während eines Spaziergangs freudestrahlend mit, dass ich mich entschieden hätte, bis zu meinem 30. Lebensjahr meine erste Million verdient zu haben. Mit dieser Fokussierung baute ich dann innerhalb von zehn Jahren das E-Commerce-Unternehmen Relaxdays auf – komplett ohne externe Groß-Investor*innen, aber dafür mit viel Achtsamkeit, Herzblut und zusammen mit meinem Team.

Aus dieser Perspektive betrachte ich die immer stärker werdende Venture-Capital-Fixierung der Startup-Szene mit sehr gemischten Gefühlen. Zwar ist es schön zu sehen, dass deutsches Gründertum weltweit wieder stark gefragt ist – die Rekordsumme von fast sieben Milliarden Euro Venture Capital an deutsche Startups spricht dafür. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass sich in unsere Gründer-Köpfe der Gedanke eingeschlichen hat, es gäbe keine Alternative mehr zum „Höher, Weiter, Schneller“-Zeitgeist.

Die Logik lautet: Wer Erfolg haben will, muss schnell wachsen. Diese Entwicklung führt meiner Einschätzung nach zu einer Verwässerung der ursprünglichen Gründungsidee und einem sich stetig ausweitenden Kontrollverlust. Ich möchte daher drei gute Gründe nennen, warum das Skalieren ohne Investor*innen Vorteile mit sich bringt:

Martin Menz

Tempo-Kontrolle

Wer seine finanzielle Basis verbessern und seine Skalierung beschleunigen möchte, indem er Investor*innen mit ins Boot holt, sollte sich klar machen, dass diese Entscheidung die Fokussierung auf eine fremde Agenda beinhaltet. Investor*innen verfolgen klare Ziele, stellen ihr Kapital nicht „aus Spaß an der Freude“ zur Verfügung und erwarten einen überzeugenden Wachstums-Case. Gerät man hier aus unterschiedlichen Gründen ins Hintertreffen, werden Venture-Capitalist*innen in der Regel erst ungeduldig und dann ungemütlich. Im schlimmsten Fall ziehen sie ihr Kapital wieder heraus und bringen das gesamte Business in Schieflage. Ich verfolge hingegen das Motto: „In der Ruhe liegt die Kraft“, nehme und gebe uns die Zeit, die wir benötigen.

Verzicht auf Exit-Case

Nur sehr wenige Investor*innen planen tatsächlich, ein Startup auf ewig zu begleiten. Früher oder später – und erfahrungsgemäß leider eher früher – rückt bei ihnen der möglichst gewinnbringende Exit in den Fokus. Eine entsprechende Absicht erkennt man als Gründer*in, wenn von Anleger*innenseite verstärkt finanziell wertsteigende Aspekte priorisiert und nur kurzfristig wirkende Entscheidungen angeregt oder gefordert werden.

Durch diese Perspektivenverschiebung trübt sich der Blick auf die eigentlichen und idealerweise kundennutzenorientierten Ziele der Unternehmensgründung. Eine echte Weiterentwicklung wird ungemein erschwert oder verzögert. Haben dann die Investor*innen ihren lukrativen Exit vollzogen, stehen die Gründer*innen womöglich vor den Scherben ihres Traums und in der Pflicht, wieder in die Spur zu kommen, Arbeitsplätze zu sichern und das Unternehmen zu retten.

Dieser Problematik konnte ich erfolgreich ausweichen, wir treffen unsere Entscheidungen sehr sorgfältig, vornehmlich langfristig, mit einer fünf-bis zehn-jährigen Perspektive, und verlieren dabei auch niemals den tatsächlichen Mehrwert für unsere Kund*innen aus den Augen.

Vermeidung von unnötigem Overhead

Muss man selbst bei nebensächlichen Entscheidungen auf einen oder mehrere Investor*innen Rücksicht nehmen und zeitraubende Abstimmungsprozesse anstoßen, verliert man erheblich an unternehmerischer Flexibilität. Neue Märkte, Produktsegmente oder Kooperationen lassen sich dann nicht mehr so einfach, oder überhaupt nicht, austesten. Dabei kommt es gerade in sehr dynamischen Branchen und Märkten auf Schnelligkeit, Konsequenz und Experimentierfreudigkeit an.

Mit einem „Wasserkopf“ an Investor*innen, Berater*innen und dazugehörigen Kommunikationskanälen und -prozessen verlangsamen und verkomplizieren sich Entscheidungs- und Realisierungsabläufe erheblich. Wir setzen auf das Prinzip „Viele Köche verderben den Brei!“, und beziehen wirklich nur die relevanten und betroffenen Personen mit ein. Dementsprechend können wir sehr viel freier und flexibler agieren.

Alternativen

Diese drei Punkte lege ich allen Gründer*innen ans Herz. Natürlich fühlt man sich gebauchpinselt, wenn sich nach dem Pitch die Investor*innen drängeln, um ansehnliche Summen ins eigene Startup zu stecken. Nichtsdestotrotz gibt man erheblichen Entscheidungsspielraum und ein hohes Maß an Flexibilität ab. Skalierung geht mit guten Zahlen und ein wenig Geduld auch über den klassischen Bankenweg. Auch in der Bankenlandschaft gibt es eigenkapitalwirksame Bausteine, um Unternehmen zu stützen und wachsen zu lassen. Über diesen Weg behaltet ihr Anteile und ein Mehr an Kontrolle. Aber es ist wie immer im Leben: Es kommt darauf an.

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