Leadership & Karriere „Es spielt keine Rolle, ob du bei der Gründung 23, 43 oder 53 Jahre alt bist.“

„Es spielt keine Rolle, ob du bei der Gründung 23, 43 oder 53 Jahre alt bist.“

Gemeinsam mit ihrem Mitgründer Robert Freudenreich gründete Andrea 2011 die Secomba GmbH, welche die Verschlüsselungslösung Boxcryptor auf den Markt gebracht hat. Boxcryptor ist eine mehrfach ausgezeichnete Verschlüsselungslösung für die Cloud. Die Augsburger Unternehmerin war gerade mal 23 Jahre alt, als sie gründete. Von 2014-2018 war Andrea als Mitglied im Beirat Junge Digitale Wirtschaft aktiv und berät in diesem Gremium das Bundeswirtschaftsministerium.

2014 wurde ihr Unternehmen mit dem Gründerpreis ausgezeichnet, 2017 erschien Andrea in der “Forbes 30 Under 30” Liste. Neben ihren unternehmerischen Erfolgen ist es Andrea gelungen, das eigene Unternehmen mit der Familiengründung zu vereinbaren. Da ihr das Thema Female Entrepreneurship schon lange am Herzen liegt, setzt sie sich seit dem ersten Summer Camp als Grace-Mentorin für Nachwuchsgründerinnen ein. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen als junge Gründerin in der Tech-Branche.

Du und dein Mitgründer wart gerade mit dem Studium fertig, als ihr gegründet habt. Woher wusstet ihr, welche Schritte ihr gehen musstet?

Der erste Schritt bedeutete für uns, Geld zu mobilisieren. Da wir beide weder über eigenes Startkapital verfügten, noch reiche Verwandte haben, musste eine andere Lösung her. Den Traum vom Gründen wollten wir nämlich nicht einfach aufgeben. Deshalb haben wir uns nach Möglichkeiten umgeschaut und sind auf das Gründerstipendium EXIST gestoßen. Dort haben wir uns mit unserer Idee beworben, die gut ankam. Das gewonnene Stipendium war unsere finanzielle Stütze, die uns sehr dabei geholfen hat, direkt loszulegen. Da wir beide erst frisch mit dem Studium fertig waren und wir in der Uni vor allem Theorie gelernt haben, mussten wir uns sehr viel Wissen selbst aneignen. Unsere Gründung verlief also unter dem Motto Learning by Doing. Wir haben sicherlich viel falsch gemacht, doch die wichtigsten Entscheidungen haben wir zum Glück immer richtig getroffen.

Als du gegründet hast, warst du 23 Jahre alt. Wie hast du es erlebt, bereits in so jungen Jahren zu gründen?

Für uns hatte das frühe Gründen nur Vorteile. Ich musste mir noch keine Gedanken um finanzielle Verpflichtungen wie Haus und Kinder machen. Aus dem Studium wusste ich außerdem, dass ich mit 400€ monatlich auskommen kann. Dadurch war das Risiko sehr gering. Im schlimmsten Fall hätte es nicht geklappt und ich hätte mit 24 angefangen, im Konzern zu arbeiten. Unser junges Alter war zum Glück nie ein Problem, auch von Investorenseite gab es deswegen nie negatives Feedback. Dadurch, dass wir nicht auf 20 Jahre Berufserfahrung zurückblicken konnten, wussten wir nicht, was eventuell alles schiefgehen könnte. Das führte dazu, dass wir einfach losgelegt haben. Mehr Erfahrung ändert nichts an der Tatsache, dass Gründerinnen und Gründern ständig neue Dinge lernen müssen. Es spielt keine Rolle, ob du bei der Gründung 23, 43 oder 53 Jahre alt bist.

Wie hast du es zu Beginn der Gründung geschafft, mit einem geringen monatlichen Budget genug Geld aufzubringen, um auf relevante Konferenzen zu fahren und Investoren auf der ganzen Welt zu treffen?

Wichtig für unsere Finanzierung waren unsere Business Angels. Zusätzlich haben wir gespart, wo wir nur konnten: Im ersten Gründungsjahr haben mein Mitgründer und ich uns ein Zimmer in der Jugendherberge geteilt, weil wir uns kein teures Zimmer leisten wollten. Wir haben stets die günstigsten Zug- und Flugtickets gebucht. Selbstverständlich wollten wir auf Konferenzen präsent sein, um unser Produkt voranzubringen, dafür lohnte es sich, sehr sparsam zu leben. Als die Firma dann immer weiter gewachsen ist und wir plötzlich ein Team hatten, war das eine große Veränderung im Mindset. Ich musste mir einige Zeit darüber bewusst werden, dass wir kein kleines Startup mehr sind, sondern inzwischen 30 Mitarbeiter haben, die natürlich ihre eigenen Ansprüche haben. Man sollte lieber an den eigenen Gehältern sparen, als an der Ausrüstung für die Mitarbeiter. Gute Rechner, Monitore und Stühle sind vor allem im Tech-Bereich enorm wichtig.

Ihr habt euer Produkt Boxcryptor aus eigenem Bedarf heraus entwickelt, um ein gesellschaftliches Thema zu lösen. Nach der NSA-Affäre im Jahr 2011 dachten immer mehr Menschen über ihre Datensicherheit nach. Welcher Purpose steckt hinter Secomba?

Für das Thema Datenverschlüsselung waren wir von Anfang an sensibilisiert, da wir immer darauf geachtet haben, dass niemand unsere Daten unverschlüsselt auffinden kann. Die Reichweite des Themas und die Relevanz für eine große Gruppe von Menschen haben wir im Laufe der Jahre immer stärker festgestellt. Durch die NSA-Affäre haben sich viele Leute plötzlich Gedanken über ihre Daten gemacht, doch auch andere Fälle, wie der iCloud-Skandal, bei dem Nacktfotos von Promis wie Jennifer Lawrence gehackt und an die Öffentlichkeit gebracht wurden, hat viele Menschen nachhaltig schockiert. Plötzlich wurden wir von Privatnutzern überrannt. Im Gespräch mit unseren Kunden stellen wir fest, dass Sicherheit völlig subjektiv erlebt wird: Manche verschlüsseln nur die Kopie ihres Personalausweises, andere ausnahmslos alles. Jeder sieht völlig andere Risiken und Szenarien. Boxcryptor bietet für jedes Szenario die passende Lösung.

Durch eure frühe Gründung habt ihr viel Aufmerksamkeit erregt. Dabei seid ihr auf jede Menge Feedback gestoßen. Wie entscheidest du, welche Ratschläge du annimmst und welche Kommentare du ignorierst?

Natürlich ist man als junger Mensch ständig in Versuchung, erfahrenen Leuten zu glauben. Viele haben uns beispielsweise geraten, von Augsburg nach Berlin zu ziehen, da eine Gründung in Augsburg sowieso nie funktionieren würde. Wir haben uns ihr Feedback angehört und darüber nachgedacht, sind uns aber immer treu geblieben. Am eigenen Unternehmen reizte uns vor allem, selbst im Fahrersitz zu sitzen und eigene Entscheidungen zu treffen. Daher ist es uns leicht gefallen, unserer eigenen Meinung zu folgen. Man muss lernen, bestimmte Ratschläge abzublocken.

Welche Tipps möchtest du Gründerinnen ans Herz legen?

Das Wichtigste ist, sich nicht von seiner Angst bremsen zu lassen, sondern einfach loszulegen. Denkt man daran, was alles schiefgehen könnte, fallen einem womöglich hunderttausende Sachen ein. Stattdessen sollte man lieber darüber nachdenken, was alles gelingen könnte. Die eigenen Zweifel dürfen der Gründung nicht im Weg stehen. Außerdem rate ich jeder Gründerin, so oft wie möglich mit anderen Gründerinnen und Gründern zu reden. Wie ich festgestellt habe, teilen alle ähnliche Probleme, da sie die gleichen Phasen durchgemacht haben. Wenn man andere Gründerinnen nach einer bestimmten Thematik oder Vorgehensweise fragt, kennen zwei von drei die Antwort. Ein offener und ehrlicher Austausch ist enorm wichtig. Dabei sollte man nicht nur die guten Entwicklungen und Erfolge thematisieren, sondern vor allem auch über eigene Probleme und Fehler sprechen. Ich rate jeder Gründerin, ihre Probleme nicht unter den Tisch zu kehren, sondern sie zu kommunizieren. Andere Gründerinnen können einem entweder weiterhelfen oder zumindest aus diesen Fehlern lernen. Aus meiner Erfahrung helfen die meisten Menschen sehr gerne. Doch niemand wird einem den Weg zeigen, wenn man wortlos auf der Straße steht und nicht sagt, wo man hinwill.

Worüber würdest du abschließend noch gerne sprechen?

Als Frau im IT-Bereich hat man viele Bedenken, da die Branche von Männern dominiert wird. Ich habe gelernt, dass das auch Vorteile mit sich bringt. Da man als Frau in dieser Branche eher selten ist, prägt man sich in das Gedächtnis der Menschen ein. Wenn du die einzige Frau unter zwanzig Männern bist, die auf der Bühne steht und pitcht, werden sich garantiert alle an dich erinnern. Außerdem erfährt man als Frau jede Menge Unterstützung. Viele setzen sich dafür ein, dass mehr Frauen im Mittelpunkt der Tech Branche stehen und helfen Gründerinnen dabei, Fuß zu fassen. Wer will denn heutzutage ein Panel mit zehn Männern auf einer Konferenz hören? Niemand. Als Frau in der IT-Szene hat man gute Chancen, einen sichtbaren Platz zu bekommen und im Kopf zu bleiben. Es lohnt sich definitiv, “Ja” zur Gründung zu sagen.

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