Leadership & Karriere Dazn: “Wir machen ein digitales Produkt für eine digitale Zielgruppe“

Dazn: “Wir machen ein digitales Produkt für eine digitale Zielgruppe“

Wie wichtig ist für Dazn das Netzwerk des Mutterkonzerns, der britischen Perform Group?

Wir arbeiten eng zusammen, da gibt es eine große Sportexpertise. Wir nutzen etwa die Statistiken des Datenanbieters Opta, außerdem helfen uns die Portale Goal.com und Spox.com, unseren Service zu pushen. Natürlich ist beim Kauf von Übertragungsrechten das finanzielle Gebot wichtig, aber genauso, wer dahintersteht. Wie viel Zugang zu jüngeren Zielgruppen bekommt die Sportart, wie viel Liebe wird in den Sport investiert, gibt es einen Publishing-Arm, über den man dem Sport redaktionell Backing geben kann? Und woran Rechteinhaber bei uns total interessiert sind: Im Gegensatz zum traditionellen Fernsehen wissen wir ganz genau, wie viele Zuschauer wir haben und welche Sportarten die sonst noch gucken. Das können wir messen, solche Datenmuster gab es vorher nicht.

Welche Rolle spielt Fußball gegenüber anderen Sportarten?

Idealerweise soll jeder Sportfan irgendwann seinen Lieblingssport bei uns finden. Und wenn jemand Fan ist von Springreiten, Feldhockey oder Rugby, dann ist für ihn das der wichtigste Sport, und dann guckt er vielleicht nur das. Klar sind die Zuschauer einer solchen Sportart nur ein Zehntel, manchmal vielleicht auch nur ein Hundertstel derer, die wir bei einem Top-Fußballspiel haben. Das macht für uns aber nichts aus.

Warum nicht?

Weil wir keine Werbezeiten vermarkten und keine Quote ausweisen müssen und nicht danach optimieren, was am meisten geguckt wird. Wir haben keine Limitierung wie ein linearer Fernsehsender, der sagt: Wir haben nur einen oder zwei Kanäle, und da läuft um 15.15 das, und um 16.30 wird das abgelöst durch das, und dazwischen maximieren wir Werbezeit. Wir haben mitunter 25 bis 40 Live-Events parallel. Egal, ob das Real gegen Barcelona oder eine sehr spezielle Rugby-Partie ist, beides kriegt theoretisch die gleiche Öffentlichkeit.

Wie wichtig sind Inhalte jenseits des reinen Streams?

Wir haben eine Redaktion für alle Sportarten. Da werden Rugby und Feldhockey mit dem gleichen Engagement behandelt wie Fußball. Und wir sind vor Ort, machen Interviews und Hintergrundberichte. Das ist schon volle TV-Produktion, aber wir sind da auch anders als traditionelles Fernsehen.

Inwiefern?

Wir haben nicht diese langen Sendestrecken, wo schon zwei Stunden vor Spielbeginn mit Studioshow und Brimborium Werbezeit kreiert wird, das ist nicht unser Stil.

Welche Rolle spielt Original Content wie Dokumentationen für Sie?

Wir merken, dass Features super ankommen. Das werden wir verstärken, näher rangehen und mehr Geschichten hinter den Stars und Clubs erzählen. Am 9. Juni ist die erste Episode unserer vierteiligen Doku über Mario Götze auf der Plattform.

Wie sieht die Serie genau aus?

Grimme-Preisträger Aljoscha Pause hat Mario Götze monatelang begleitet. Leider wurde jetzt bekannt gegeben, dass er nicht mit zur WM fährt. Aber unsere Geschichte geht weit darüber hinaus. Wir geben Einblicke in sein Leben, die so vorher noch nicht zu sehen waren – mit Familie oder ehemaligen Trainern, etwa Jürgen Klopp und Jogi Löw. Wir erzählen die Geschichte, wie sie wirklich war, wie dieser 21-Jährige über Nacht zum deutschen Wunderkind wurde, welche Last sein Weltmeisterschaftsfinaltor für diesen jungen Kerl letztlich auch bedeutete, wie er dran zu knabbern hat. Tatsächlich ist das mehr Kino als Fernsehen. Es ist das erste Mal, dass wir etwas mit solchem Aufwand ausprobieren. Gucken wir mal, wie das angenommen wird.

Wie sehen die Pläne von Dazn für die kommenden Jahre aus?

Wir denken ja weniger in Kalenderjahren als in Saisons. Gerade haben wir wieder eine abgeschlossen. Jetzt ist erst mal Weltmeisterschaft, und dann geht es für uns wieder los. Die kommende Saison ist natürlich ein wichtiger Moment, da kommt für uns mit Europa League und Champions League contentseitig der größte Schritt seit Bestehen dazu, da machen wir unser Fußballangebot mehr oder weniger komplett. Das müssen wir erst mal positionieren und in die Köpfe der Sportfans laden. Dagegen war das, was wir bisher getan haben, vergleichsweise einfach.

Wie meinen Sie das?

Wir haben sehr interessierte Sportfans angesprochen. Jetzt geht es um Zielgruppen, die weniger streamingaffin sind. Da müssen wir erst mal Vertrauen aufbauen. Im Grunde geht es mit einer fünfmal so großen Zielgruppe wieder von Neuem los.

Und wann verdient Dazn Geld?

Auf den bestehenden Märkten können wir in drei Jahren cash-profitable sein. Das hätte anfangs sicher keiner gedacht.

Gerade wird weiter kräftig investiert. Mitte Mai hat Dazn einen Achtjahresvertrag über 1 Mrd. Dollar mit dem Boxpromoter Eddie Hearn abgeschlossen. Was ist die Idee dahinter?

Der Boxsport ist am Boden, irgendwas funktioniert nicht. Es gibt vielleicht drei, vier Boxer auf Toplevel, die ordentlich Geld verdienen, der Rest kann davon nicht leben. Und weil junge Boxer keine Perspektive haben, kommen nicht genügend neue nach. Um dem Sport wieder Leben einzuhauchen und den Boxsport langfristig zu entwickeln, haben wir diesen Deal gemacht.

Im Sommer startet Dazn nach der DACH-Region, Japan und Kanada in den USA. Der schwierigste Markteintritt?

Der Einstieg in einen neuen Markt ist immer schwierig. Das ist wie mit Kindern, die sind am Ende alle unterschiedlich und haben einen ganz anderen Charakter. Wir hatten überall sehr unterschiedliche Startbedingungen. Die Kern-Challenge bleibt aber immer gleich.

Nämlich?

Es ist die enorme Geschwindigkeit, mit der wir die Teams und die Operations aufbauen müssen. Ich habe im April 2016 angefangen – first man on ground. Im August haben wir gelauncht. Das heißt: vier Monate, um ein Team aufzubauen, um Kampagnen zu entwickeln, um mit dem richtigen Ton, dem richtigen Modell an den Markt zu gehen. Alles ist immer sehr kurzfristig. Dieses „Okay, let’s get together, let’s get the right people in the room and make it happen“, das haben wir immer wieder, wenn wir – wie demnächst – in einen neuen Markt gehen. Darum werden wir wohl nie aufhören, Startup zu sein.

 

Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe 03/2018. Darin gehen wir der Frage nach wie Star-Investor Peter Thiel, der sich als Trump-Versteher unmöglich gemacht hat, so tief fallen konnte – und wie er es wieder nach oben schaffen will. Außerdem: Dossier Fußball. Genauer, zum Business mit, hinter und vor dem Spiel. Mehr Infos hier.

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