Productivity & New Work Diese Bücher solltet ihr während der kalten Jahreszeit lesen

Diese Bücher solltet ihr während der kalten Jahreszeit lesen

Freunde, was gehört zum Hebst? Sauwetter, klar. Trinkschokolade und gemütliche Atmosphäre sowieso. Aber auch: Mentales Reset, jetzt wo es Richtung Jahresende geht. Und damit meinen wir nicht Koma-Saufen und Gehirnzellen-Massaker, sondern Entspannung für den Kopf: Gute Bücher. Und da wir uns im Runterkommen-Modus befinden, zeigen wir der Ratgeber-Industrie und den Selbstoptimierungs-Predigern süffisant den Mittelfinger und genießen stattdessen große, schöne Literatur – abseits von Themen wie Karriere und Highperformance. Deshalb von uns für euch: Elf Bücher, die uns inspiriert, unterhalten und weiser gemacht haben.

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Allen Ginsberg – Howl and Other Poems

“I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked //
dragging themselves through the negro streets at dawn looking for an angry fix“

Ja, ich weiß, wer liest denn heute noch Gedichte? Valider Punkt, aber Allen Ginsbergs Howl liest sich so anders, es ist so frei assoziiert und schnell, wütend. Es ist wirklich Geheul; eine Bestandsaufnahme der New Yorker Szene in den fünfziger Jahren, ein rauschhaft drängendes Porträt der Queeren, der Komischen, der Drogenabhängigen, Stricher und irgendwie Anderen, all der Misfits eben, die keinen Platz haben im Amerika der Eisenhower-Jahre und nirgendwo reinpassen.

Gerade heute steht es auch als Mahnung an Zeiten, in denen bestimmten Menschen keine oder nur Existenzen am Rande einer allzu konformistischen Gesellschaft zugestanden wurde.
Außerdem liebe ich das Format des Buches: Howl wurde 1956 in einer Sammlung mehrerer Gedichte (unter anderem mit dem großartigen „America“) als kleiner Band veröffentlicht, der in jede Westentasche passt, zum immer und immer wieder lesen.

Julian Daum

Media Source: City Lights Publishers
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Adalbert Stifter – Sämtliche Erzählungen

Macht man es sich zu leicht, wenn man konträr lebt? Also Sweatpants bei 30 Grad und Shorts ab Mitte Dezember? Wenn man un-be-dingt die Rolle des nudeligen Springinsfeld einnehmen will? Vielleicht. Andererseits bekommt man dann eben Dinge mit, die der Nachbar im Jetzt nie auf dem Zettel haben kann. Zum Beispiel Adalbert Stifter, dessen sämtliche Erzählungen nach den Erstdrucken vergangenen Dezember im strandtauglichen Taschenbuch erschienen sind. Mögen sich alle anderen doch an Stuckrad-Barres unoriginellen Koks-Erinnerungen ergötzen oder das wundgearbeitete Hirn beim 500-Seiten-Whodunit homöopathisch miträtseln lassen – Stifter, Freunde, Stifter. Denn schöner, ergiebiger und wohliger kann man mit Sprache und Text nicht entspannen.

Alexander Langer

Media Source: DTV
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Aldous Huxley – Island (Eiland)

Stell dir vor du liegst am Strand einer Südseeinsel, für das leibliche Wohl ist gesorgt, die Liebe ist frei und ein ausreichender Vorrat an Psychedelika für Vergnügen und Selbsterfahrung ist auch vorhanden. Was in der Realität leider schwer umzusetzen ist, beschreibt Aldous Huxley in seinem utopischen Roman Island (dt.: Eiland). In diesem weniger bekannten positiven Gegenstück zum großen Bruder “Brave New World“ wird eine Gesellschaft dargestellt, in der niemand jeden Tag das selbe machen muss oder unter Existenzängsten leidet. Ein Ort, den selbst der dort gestrandete, zynische Journalist Will langsam lieben lernt. Ein Paradies auf Erden eben, wenn es da nicht die weniger friedliche Außenwelt gäbe...

Ernst Jordan

Media Source: Piper Verlag
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Terry Pratchet – Die Teppichvölker

Die Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchet dürften den meisten Menschen ein Begriff sein. Doch der englische Großmeister der Fantasy mit Schmunzelfaktor hat noch weit mehr auf Lager - auch abseits der Scheibenwelt. Besonders angetan hat es mir damals “Die Teppichvölker“ (zuerst erschienen unter dem Titel Alarm im Teppichreich). Darin tummeln sich neben Glurk und Snibril, Mouls und Snargs noch viele weitere phantastische Wesen, die allesamt die Flusen eines Teppichs ihr Zuhause nennen. Und da eine heile Teppichwelt auf Dauer dann doch etwas dröge wäre, begeben sich die Hauptpersonen auf eine abenteuerliche Mission, ihr Volk zu retten. Das Buch wird allen gefallen, die das Kind in sich noch nicht unter Business-Japanisch Wochenendseminaren begraben haben und nach gerade nochmal gut ausgegangenen Szenen auch mal wieder "Ach, wie schön" seufzen wollen.

Ernst Jordan

Media Source: Piper Verlag
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Daniel Kehlmann – TYLL

Online, offline, ob in Text oder Bewegtbild – überall stoßen wir auf ein großes Jammern. Hätte es den prophezeiten Untergang des Abendlandes nicht schon zigmal gegeben, müsste man jetzt auf jeden Fall mit ihm rechnen. Flüchtlingskrise, Rechtspopulismus, Volksparteien, die keine mehr sind, und dann auch noch das Vorrunden-Aus der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM in Russland – das Tragen eines Trauerflors gehört anscheinend in diesen Tagen zur Grundausstattung. Aber, liebe Leser: Leben wir wirklich in dunklen Zeiten? Mitnichten, denn schaut man sich das neueste Werk von Daniel Kehlmann an, “Tyll“, stellt man fest: So wirklich abgefuckt war es während des Dreißigjährigen Krieges. Ganze Generationen kannten nichts anderes als Andersgläubigen maximal unempathisch den Schädel einzuschlagen. Die Geschichte des Buches dreht sich um Tyll Eulenspiegel, den erfolgreichsten Entertainer des Mittelalters. In verschiedenen Episoden, durch die Augen unterschiedlicher Zeitzeugen, schildert Kehlmann das tragigkomische Leben des berühmten Gauklers. Und gerade daran erwärmt sich das Herz eines jeden literaturfreundlichen Menschen: Kehlmann verleiht seinen Figuren eine Tragik, die nicht selten komisch ist. “Tyll“ ist eine wunderbare Erzählung mit dem nicht gerade unwichtigen Learning: Schwere Zeiten überlebt man immer noch am besten mit einer ordentlichen Portion Humor.

René Krempin

Media Source: Rowohlt
6 / 11
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Erich Maria Remarque – Arc de Triomphe

“Arc de Triomphe“ von Erich Maria Remarque darf nicht fehlen. Gehooked durch Schullektüre von “Im Westen nichts Neues“ habe ich bis dato fast all seine Werke verschlungen. Bei keinem anderen Autor wird so viel gesoffen und gleichzeitig so schön poetisch darüber berichtet. Die Darstellung des Zwischenmenschlichen verläuft manchmal hart an der Grenze zum Kitschigen aber letztlich bekommt Remarque doch immer die Kurve. In “Arc de Triumphe“ beschreibt Remarque das Leben von (in diesem Fall oftmals deutschen) Flüchtlingen in Paris am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Dieser Roman hat alles, was sowohl Romantiker- als auch Historikerherzen erfreuen kann. Und wenn man in die nach Beendigung eines guten Buches unvermeidliche Leere fällt, bleibt wenigstens noch das warme Gefühl, nicht selbst in dieser entbehrungsreichen Zeit leben zu müssen.

Ernst Jordan

Media Source: Kiwi Verlag
7 / 11
7 / 11

Christian Kracht – Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten

Ausgangslage: Lenin hat sein Exil in der Schweiz 1917 nie verlassen. Stattdessen wurde die Schweiz zur Sowjetrepublik. Der Krieg wurde nie beendet und wütet seit Jahrzehnten zwischen der Schweiz und den faschistischen Ländern England und Deutschland.
Die Alpen sind mittlerweile vollständig untertunnelt und mit Verteidigungslinien überzogen. Dort muss der Protagonist, ein aus den afrikanischen Kolonien stammender politischer Kommissar hin, um einen gewissen Oberst Brazhinsky ausfindig zu machen.
Eine irre Alternativgeschichte voller sprachlicher Schönheit, Schnee, Kälte, Splittergranaten und Albtraum – bei etwa 30 Grad im Liegestuhl geeignet, um sich auch ohne Meer etwas abzukühlen.

Julian Daum

Media Source: Kiepenheuer & Witsch
8 / 11
8 / 11

Steven D. Levitt und Stephen J. Dubner – Freakonomics

Habt ihr euch schon mal gefragt, warum Drogendealer noch bei ihren Müttern wohnen? Oder was Sumo Ringer und Schullehrer verbindet? Ökonom Steven D. Levitt und Journalist Stephen J. Dubner haben die Antworten – und oft sind es wirtschaftliche Gründe. Die beiden stellen sich die skurrilsten Fragen des Alltags und erklären diese allein mit Daten. Sie hinterfragen zahlreiche Studien und Zahlen und erkennen Zusammenhänge, etwa die zwischen der Legalisierung von Abtreibungen in den USA und der sinkenden Kriminalitätsrate.

Und man lernt für’s Leben. Denn denkt man zum Beispiel an die Kindergartenfreunde des Nachwuchses: Lässt man sie eher zu einer Familie, die eine Waffe oder die einen Swimming Pool besitzt? Die Moral täuscht uns. Im Swimming Pool ertrinken mehr Kinder pro Jahr, als in einem spontanen Pistolenduell sterben. Die beiden Autoren hinterfragen genau diese Kausalitäten, auf die man niemals kommen würde und ihre Antworten sind immer plausibel. Inklusive Aha-Effekt.

Dass ich nicht allein begeistert bin, zeigen die Verkaufszahlen. Diese waren so positiv, dass eine weitere Ausgabe folgte. Dieses Mal zu Fragen wie, ob das Essen von Kängurus unseren Planeten rettet. Auch spannend. Und Doku und Podcasts gibt’s auch mittlerweile.

Katharina Golze

Media Source: Harper Verlag
9 / 11
9 / 11

Kathrin Weßling – Super, und dir?

Manch einer wird sich in dem dritten Roman von Kathrin Weßling sicherlich schnell wiederfinden: Überstunden hier, Workout nach dem Office da – und zwischendurch beim Feiern noch ´ne Line gönnen, um die Nacht durchzufeiern. Und vor allem dabei viele Selfies für die Crowd machen, um zu dokumentieren, wie geil man dabei aussieht, die Nacht durchzufeiern. Denn, klar: Nach einer 70 Stunden-Woche braucht man halt auch einen Ausgleich, um voller Elan in die nächste KW durchzustarten. Damit das ganze Spektakel wieder von vorne beginnen kann, denn #YOLO, man lebt nur einmal, diesdas, you name it (...).

Ohne groß zu spoilern, kann man jetzt bereits erahnen, dass Kathrin Wessling anhand ihrer Protagonistin Marlene Beckmann versucht, eine junge Generation einzufangen, die sich zwischen Karrierezwang und Selbstoptimierung zielmlich schnell verlieren kann. Denn trotz perfekter Arbeit, perfektem Body und perfektem Boyfriend ist nun mal im Leben nicht alles perfekt. Und auch wenn man im digitalen Zeitalter den Schein mit dem "Rio de Janeiro“-Instagram-Filter eine Zeit lang erfolgreich wahren und ein ziemliches geiles Life inszenieren kann, so holt die Realität einen doch irgendwann wieder ein. #SorryNotSorry.
Deswegen: Gönnt euch das Buch, denn abgesehen davon, dass es wieder einmal ein sehr gut geschriebenes Werk von Weßling ist, regt es zum Nachdenken an und beschreibt auf ziemlich ehrliche und drastische Weise einen Generationskonflikt, über den wir alle bei drölf Vino-Flaschen am Küchentisch in der WG bereits gesprochen haben.

Julia Berger

Media Source: Ullstein Verlag
10 / 11
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Edit

Ach, Sommer. Deutschland ist raus, man selber im Urlaub und gefühlt noch viel mehr raus. Vielleicht Anlass zum alles anders machen. Heißt: Wenn schon lesen, warum nicht mal Sachen, die unerwartet sind und neu? Die Anthologie „Edit” erscheint diesen Sommer schon zum 75. Mal und widmet sich unveröffentlichter, junger, deutschsprachiger Literatur. Meistens sind interessante Fundstücke dabei – interessanter als Russland gegen Kroatien allemal. Der Titel lautet diesmal übrigens „Zerschossene Träume”. Was für eine schöne, große, prophetische Zeile.

Alexander Langer

Media Source: Edit Online
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Markus Feldenkirchen – Die Schulz Story

Markus Feldenkirchen, Spiegel-Redakteur aus der ersten Reihe, ist etwas gelungen, wovon viele politisch interessierte Schreiberlinge nur träumen: Über einen längeren Zeitraum konnte er einen Spitzenpolitiker hautnah erleben. Konkret: Feldenkirchen hatte die Ehre, den Kanzlerkandidaten der SPD Martin Schulz im letzten Wahlkampf auf Schritt und Tritt zu begleiten. Der Journalist hatte Zugang zu exklusiven Besprechungen, Einblicke in geheime Strategiepapiere und nicht selten den Blick frei auf den Privatmensch Schulz. In seinem Buch “Die Schulz-Story“ schildert der Autor, wie ein Kandidat durch die Mühlen des modernen Politikerbetriebs getrieben wird und am Ende nicht wiederzuerkennen ist. An Martin Schulz diagnostiziert Feldenkirchen ein grundsätzliches Problem: Viel zu oft verlassen sich die Akteure auf vermeintliches Expertenwissen zum Beispiel in Form von neuesten Umfragen – anstatt auf ihr Bauchgefühl zu hören. Martin Schulz musste das am eigenen Leib erfahren. Er erzielte mit der SPD am Wahlabend einen historischen Tiefstwert. Wir lernen: Gerne mal dem eigenen Bauchgefühl vertrauen und den ganzen Beratern, Möchtegern-Profis und Besserwisser-Agenturchefs einen Maulkorb verpassen. “Die Schulz-Story“ ist eine hochspannende, fast schon dramatische Rekonstruktion von Aufstieg und Fall eines Spitzenpolitikers, der ganz nach oben wollte – und am Ende mit leeren Händen dasteht.

René Krempin

Media Source: DVA

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