Leadership & Karriere Adidas-Story: Wie die Traditionsmarke wieder sexy wurde

Adidas-Story: Wie die Traditionsmarke wieder sexy wurde

Carnes ist seit 23 Jahren bei Adidas, hat die Zeiten erlebt, als die Marke zumindest in seinem Heimatland, den USA, immer nur chancenloser Zweiter hinter Nike wurde. Und dann konnte er beobachten, wie sich das Unternehmen vor allem in den vergangenen drei Jahren radikal verändert hat. Er war dabei, als Adidas Storytelling-Experten von der Trickfilmproduktion Pixar eingekauft hat, um den Kunden nicht bloß hochfunktionale Turnschuhe, sondern Geschichten zu verkaufen. „Wir haben uns gesagt, wir müssen im Sport, im Alltag und in der Welt unserer Kunden relevant sein“, sagt Carnes. „Vieles von dem, was wir vorher gemacht haben, war fast ausschließlich auf sportlichen Erfolg konzentriert: Aber einen Schuh 15 Prozent leichter zu machen ist einfach keine Geschichte.“

Zwischen 2013 und 2014, erzählt Carnes, ging Adidas trotz respektabler Zahlen mit sich selbst in Klausur: „Wir haben eine 360-Grad-Analyse gemacht und uns gefragt: Was denken wir, wer wir sind – und was denken die Leute?“ Heraus kam, dass Adidas zu sehr in Schuhen dachte – und zu wenig an Menschen. Was schließlich dazu führte, dass man immer bessere Schuhe mit immer mehr Innovationen für Fußballer, Langstreckenläufer und andere Sportler entwickelte. Aber keine Schuhe, die versprachen einen durch den Alltag zu tragen. Das war das eine.

Wandel von innen

Das andere war, dass Adidas Schuhmodelle neu erfand, an denen nichts verbessert werden musste. „Unsere Herausforderung besteht aber eigentlich darin, Versionen unserer Schuhe zu machen, die für noch mehr Menschen und zur jeweiligen Zeit perfekt sind“, sagt Carnes.

Also entwickelte Adidas eine Art Franchisestrategie, wie Carnes es nennt. Ein Plattformkonzept, wie man es aus der Autoindustrie kennt, bei dem letztlich fast alle Teile aller Produkte miteinander kombinierbar sind: Stoffe und Sohlen, Zwischensohlen und Farben, Laschen und Schnürsenkel. „Unsere Schuhe bauen mittlerweile letztlich alle auf einigen, wenigen Plattformen auf“, sagt Carnes. „So können wir alles Mögliche ausprobieren und müssen nur noch darauf achten, dass die Geschichte, die Identität des Produktes bei den Variationen nicht verloren geht.“

Dieser schwarz-gelbe Keil ist ein Rennrodelschuh, der speziell für Schorsch Hackl entwickelt wurde – und Kanye West besonders gefiel. Foto: Fritz Beck

Dazu gehört auch, dass Experimente schiefgehen: Als Adidas im Februar 2017 den Superstar, den alten Breakdancer-Klassiker, mit Boost-Sohle auf den Markt brachte, war das Feedback: null. Der Schuh wirkte nicht wie die Kombination von zwei Legenden, sondern mit seiner an der Seite herausquellenden schaumigen Sohle wie ein sinnloses, albernes Gimmick.

Vierte und letzte Station: das Outletcenter der Herzo Base. Schnäppchenparadies für Adidas-Aficionados, aber auch ein Museum der Fehlschläge: Was hier rumsteht, verkauft sich – vorsichtig formuliert – in Los Angeles, Tokio und London vielleicht nicht ganz so gut. Entsprechend finden sich in der Schuhabteilung kaum Bestseller, wenige Ultraboost, wenige NMD, dafür aber eine sehr interessante Auswahl an Experimenten und Varianten: Stan Smith aus Goretex, Stan Smith mit gigantischen Sohlen und in eigenartigen Farben. Ein weißer Kunstlederschuh namens Equipment Support 93, der an eine unheilige Allianz aus Buffalos aus den 90ern und Waldlaufschuhen aus den 80ern erinnert, reduziert von knapp 150 Euro auf 40 Euro.

Zwischen den Versuchsreihen und Sonderangeboten verstecken sich aber noch zwei bemerkenswerte Schuhe: Das eine Modell stammt von Reebok und heißt Zoku Runner Ultk Fade: Der Knit-Stoff würde an einem Ultraboost nicht weiter auffallen, die neckische Lasche an der Ferse erinnert an den Adidas NMD, mit der spitz zulaufenden Silhouette könnte der Schuh – abgesehen von der Sportsohle – auch Teil der superangesagten Adidas-Frauen-Linie Arkyn sein. Der andere sieht von hinten aus wie ein Stan Smith, von oben wie ein Samba, die Sohle erinnert an einen leicht bierbäuchigen Hallenturnschuh. Er heißt VL Court VULC, stammt aus der Discountreihe Adidas Neo und ist so was wie der uncoole kleine Bruder des Stan Smith: dieselbe DNA, dasselbe Elternhaus, leider nicht ganz so erfolgreich und hübsch.

Weniger Fehler

Es sind letztlich genau diese Schuhe hier, die Adidas auf Dauer überflüssig machen will und muss: die Überproduktion, die Fehlkalkulationen, die etwas schulterzuckend zusammengeklebten Sneaker aus ohnehin vorhandenen Bauteilen. Auch wenn es nie ganz ohne Fehlschläge gehen wird: Dafür muss das Trendscouting von Adidas noch treffsicherer werden, vor allem die Produktion noch schneller, günstiger und schon ab geringeren Stückzahlen profitabel. In einem Interview mit Capital, dem Schwestermagazin von Business Punk, hat Adidas-CEO Kasper Rorsted neulich zwei interessante Dinge fast nebenbei erwähnt, die aber für die Strategie von Adidas wahnsinnig wichtig sind.

Erstens: „Verglichen mit anderen Branchen wie der Auto-, Luftfahrt- oder Elektronikbranche steht die Digitalisierung beim Design und der Herstellung noch ziemlich am Anfang.“ Zweitens: „Nike und Adidas haben zusammen einen Marktanteil von weniger als 25 Prozent. Das heißt: Mehr als 75 Prozent werden von ganz anderen Unternehmen kontrolliert.“

Gerade erst hat Adidas verkündet, demnächst nach der ersten Speedfactory in Franken eine zweite in Atlanta in den USA zu eröffnen. Bis 2020 will man dort jährlich mit einem Hightech-Maschinenpark eine Million Schuhe produzieren. Vom Design zum verkauften Schuh in drei Monaten. In kleinen Auflagen, perfekt auf bestimmte Sportler oder Trendkäufer abgestimmt, aber eben schneller und in der Produktion günstiger.

Der Wettbewerb auf dem Sportmarkt ist ein Langstreckenlauf, und Adidas hat gerade eben erst zum nächsten Zwischenspurt angesetzt. Die drei Historiker sollten in ihrem Archiv in Herzo auf jeden Fall schon einmal etwas Platz für ein paar neue Klassiker freiräumen.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe 03/2018. Darin gehen wir der Frage nach wie Star-Investor Peter Thiel, der sich als Trump-Versteher unmöglich gemacht hat, so tief fallen konnte – und wie er es wieder nach oben schaffen will. Außerdem: Dossier Fußball. Genauer, zum Business mit, hinter und vor dem Spiel. Mehr Infos hier.

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