Leadership & Karriere Was ihr eigentlich macht, wenn ihr Urlaub habt – eine Typologie

Was ihr eigentlich macht, wenn ihr Urlaub habt – eine Typologie

Die Selbstbetrügerin

„Ich habe mit meinem Freund abgemacht, dass ich nur morgens und abends meine Mails checke“, erzählt die Key-Account-Managerin und lächelt tapfer. Was sie nicht sagt: Weil der letzte Urlaub beinahe der allerletzte gemeinsame gewesen wäre. Wegen der ganzen Mails und wegen diesen Konferenzcalls von Cala Millor nach Köln. Jetzt macht sie das … eben heimlich. Schatz, kommst du mit ins Wasser? Ach nö, ich liege gerade so schön in der Sonne. Er weg, sie Handy aus der Badetasche, Brände am Schreibtisch zu Hause löschen. Sie: Ich hole uns mal eben Drinks von der Bar. Denkt: Und am Tresen kann ich auch kurz in der Zentrale anrufen. Ist das jetzt besser? Irgendwie schon. Denn: Sie kann eben nicht anders, muss halt.

Und will auch irgendwie, ist ihr Job. Den mag sie, der tut ihr gut. Und ehrlicherweise kommt nur so was von so was. Die schöne Finca mit dem 20 Meter langen Infinity-Pool, die ist doch wohl die Beantwortung von ein paar wichtigen Kundenanfragen aus dem Urlaub wert, oder etwa nicht, Schatz? Und er hört wenigstens auf zu meckern, die offizielle Regelung „zweimal am Tag Mails“ klingt fair, und dass sie trotzdem immer rummailt, sobald er wegguckt? Ist ihm wurscht. Hat er seine Ruhe. Wir sehen uns dann im Pool. Vielleicht.

Der Bleisurist

Superschlaue Ideen sind selten einzelnen Genialen vorbehalten und manchmal werden sie sogar zum Trend. So etwa das „Bleisure Travelling“, eine Verballhornung aus Leisure und Business, also eine (in aller Regel Städte-)Reise, die als Businesstrip angefangen hat, der so superraffiniert und kaum zufällig auf Donnerstag und Freitag gefallen war, dass sich ganz easy noch ein Leisure-Wochenende dranhängen ließ. Und wenn man es richtig entspannt angehen lassen möchte, dann legt man sogar noch einen Urlaubstag drauf, Montagnachmittag sind die Rückflüge ja auch viel billiger. Ist besonders bei Young Professionals sehr beliebt, die dann gerne ihre Freundin „nachholen“ und dann einfach in dem schnieken Businesshotel, das die Beratungsfirma für einen gebucht hat, noch zwei Nächte „verlängern“. Kommt nicht bei allen Buchhaltern gut an. Hinflug auf Firmenkosten, zurück auf eigene Rechnung kann ein Kompromiss sein, aber wie sollen wir das beim Kunden korrekt abrechnen und überhaupt?

Wenn den Juniorkarrieristen aber diese paar Einzeltägchen Großstadtmief als „Urlaub“ genügen, soll es den Chefs gerade recht sein. Insofern ist und bleibt das Bleisuring ein hotter Urlaubstrend unter denen mit Biss und ohne Lust auf wirklich exotische, spannende Urlaubsziele. Denn wann verschlägt einen eine Geschäftsreise schon mal nach Patagonien?

Der Selbstoptimierer

Das mit dem morgens um sechs aufstehen nervt ein bisschen. Erste Trainingseinheit um 6:15 Uhr, der Rest vom Tag ist streng durchgetaktet, eine Stunde frei am Mittag, Schluss gegen 19 Uhr, dann Essen und Bett. So ist das im Zwei-Wochen-Kickboxing-Camp in Nord-thailand. Aber danach? Wie neu geboren. Was gemacht, was geschafft. Dass immer noch jede Muskelfaser schmerzt – Teil des Deals. Und angenehmer Nebeneffekt: Zwischen Ausdauertraining und Wettkampfrunden keine freie Minute gehabt, Slack zu checken. Harte zwei Wochen – aber ganz geiler Urlaub. Dort geht es schließlich darum, Zeit für sich selber zu nutzen. Wo man sich was Gutes tut oder gleich was Besseres aus sich macht.

Eher klassische, stark urlaubige Möglichkeiten dazu sind: Surfkurs, Yoga-Retreat, Segelschein. Was man eben in die 14 Tage bei warmen Temperaturen und fernöstlichem Essen so reinpressen kann. Alternativ: Sprachtraining oder Social-Skills-Seminar, die funktionieren aber nach demselben Muster. Alles besser, als sich stumpf an den Strand zu knallen und all-inclusive abzuschalten. Das ist ja für die Low-Performer. Der Selbstoptimierer hingegen kehrt als besserer Mensch zurück. Und von den Strapazen erholen kann er sich dann ja dann im Büro.

Der Ultra

Radikalurlauber und Ferienfaschist. Einer, der am Anfang des Jahres sämtliche Urlaubsanträge einreicht, komplett durchoptimiert zur perfekten Nutzung von Brücken- und Feiertagen. Ihn muss man fragen, wie man aus 24 Urlaubstagen sechs Wochen frei macht. Dass er es mit dem Urlaub wirklich ernst meint, erkennt man daran, dass in seiner Out-of-Office-Reply steht: „Lieber Absender, vom 30.9. bis 4.10 bin ich im Urlaub. Ich werde während dieser Zeit keine Mails lesen, nichts wird weitergeleitet, und nach meiner Rückkehr werde ich alle während meines Urlaubs eingegangenen Mails ungelesen löschen. Bitte versuchen Sie es nach meiner Rückkehr wieder, ahoi.“ Und: Er macht das wirklich.

In gewisser Weise ist der Urlaubs-Ultra zu beneiden, denn wenn er abhaut, ist er wirklich weg, mit Kopf und Geist und allem. Dann ist der Projektmanager zehn Tage nur Pistensau ohne Leben jenseits der Carving-Skier, und die Unternehmensjuristin ist 100 Prozent Provence, denkt nur an reife Tomaten und kleine, versteckte Ziegenkäsemanufakturen, aber nicht eine einzige Sekunde an diese fiese, gesellschaftsrechtliche Klausel, über die der noch offene, millionenschwere M&A-Deal auf dem Schreibtisch zu Hause noch kippen könnte. Andererseits sind die beiden zumindest an den 300+ Tagen im Jahr, an denen sie nicht ihr Urlaubs-Ego sind, vermutlich recht arme Würstchen. Denn wer die Ferien so radikal feiert wie der Ultra, der muss seinen Job in seinem tiefsten Innern wirklich ziemlich abgrundtief hassen.

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