Life & Style Selfmade Records: Jung, brutal erfolgreich

Selfmade Records: Jung, brutal erfolgreich

Toni is der Bo$$

Omerbegovic richtet erst einmal ein Tonstudio in seinem Bungalow ein. „Ich dachte, das macht man so“, sagt er. So groß seine Ambitionen sind, so wenig Ahnung hat er von Mischpulten. Bald kommt das Einsehen, die Musik lieber von Profis aufnehmen zu lassen. Immerhin kann Omerbegovic bald über seine Kontakte einen ersten Rapper unter Vertrag nehmen: einen glatzköpfigen -Irren, Künstlername Favorite, der Horrorfilmästhetik und kranken Wortwitz kombiniert. Ein Anfang. Und dann erreicht Omerbegovic die Mail, die sein Leben verändern soll. Betreff: „Toni is der Bo$$ aka Kollegah“. Inhalt: „Hallo, suche ein Label das mein kommendes Release Zuhältertape Volume 2 rausbringt und bißchen promo macht dazu. Mein letztes Release Zuhältertape Volume One kann man auf www.kollegah.de sich herunterholen, auf dem discography link. sagt bescheid ob ihr lust habt oder nich. bye toni“. Omerbegovic hat Lust.

selfmade records
Casper (M., u.a. mit Omerbegovic) war nur ein Jahr bei Selfmade.

Selfmade Records läuft zunächst trotzdem eher schleppend. Ein Release finanziert das nächste, große Sprünge sind mit dem Geld aus den Albumverkäufen nicht drin. Deutsch-Rap bleibt ein Nischenprodukt. „Wir haben uns mit ‚Jung, brutal, gutaussehend‘ ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt und wurden von den Verkaufszahlen enttäuscht“, sagt Omerbegovic heute über die schwierigsten Tage. „Nach dem 15. Album fragst du dich: Wie lange soll das noch so weitergehen?“ Aber Omerbegovic beißt sich fest. Er will einfach nicht glauben, dass seine Idee nicht zündet. „Ich war mir sicher: Irgendwann muss es funktionieren.“ Weil sich die Alben nicht verkaufen, Hip-Hop als Lifestyle aber an Fahrt aufnimmt, verkauft Omerbegovic eben Klamotten. Sein 2009 gegründetes Streetware-Label Pusher wirft genug ab, um mit seinem Herzensprojekt Selfmade weitermachen zu können. Und verschafft ihm die Zeit, an seiner Strategie zu feilen. In den nächsten drei Jahren kristallisieren sich vier Pfeiler heraus, die Erfolg versprechen:

Erstens: Was man nicht mit Platten verdient, muss man mit Merchandise verdienen. Wenn „die Kids“, wie Omerbegovic seine Kunden bisweilen liebevoll nennt, kein Geld für die Musik lockermachen, muss man sie mit Shirts locken.

Zweitens: Selfmade ist das Kaufhaus unter den Hip-Hop-Labels. Es gibt für jeden Geschmack etwas. Anders als Aggro Berlin oder Chimperator ist Omerbegovics Label nicht auf einen Stil festgelegt. Wenn der Wind wechselt, kann Selfmade schnell reagieren.

Drittens: perfekt durchgeplante Promophasen in einer Mischung aus a) digitaler Schnitzeljagd, in denen die Künstler nahbar und erreichbar wirken, und b) einer dramatischen Inszenierung der Alben im Hollywood-Stil.

Aber vor allen Dingen viertens: Social Media, Social Media, Social Media.

Selfmade setzt alles auf eine Karte: Omerbegovic re-kru-tiert 2005 einen 18-Jährigen namens Thomas Burkholz aus einem Rap-Forum und macht ihn kurzerhand zum Marketingchef seines Labels. Gemeinsam entscheiden sie, Plakate, Radiospots oder TV-Werbung nur noch als Nebenschauplatz zu nutzen und stattdessen alle Werbung auf die sozialen Netzwerke auszurichten. Selfmade legt seine Veröffentlichungstermine zudem ungewöhnlich früh fest. Die Promophasen der Veröffentlichungen lassen sich so dehnen. Und je länger der Vorlauf, desto höher die Erwartungen und vor allem: desto höher auch die Vorverkäufe, die für die Chartplatzierung der ersten Woche relevant sind. 2012 geht Omerbegovics Strategie das erste Mal auf: Das Album „Jung, brutal, gutaussehend 2“ von Kollegah und Farid Bang landet auf Platz eins. Die erste Goldene Schallplatte. Endlich.

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Genetikk aus Saarbrücken haben Erfolg dank Horroroptik, Comic-Rap und Selfmades Social-Media-Expertise.

„Ich hatte fast eine halbe Million in das Album gesteckt“, sagt Omerbegovic. „Wäre es sofort auf dem Index gelandet, hätte ich Privatinsolvenz anmelden müssen.“ Stattdessen spielt „JBG2“, wie das Album unter Kennern nur genannt wird, das investierte Geld um ein Vielfaches wieder ein – um schließlich doch auf dem Index zu landen. Aber egal, hilft dem Legendenstatus nur. Im Freudentaumel verspricht Omerbegovic jedem, der an dem Album auch nur im Entferntesten mitgewirkt hat, eine eigene goldene Schallplatte. Das Versprechen kostet ihn am Ende fast 50 000 Euro. Unwichtig. Denn von da an bricht Selfmade Rekord um Rekord. Höhepunkt ist Kollegahs Album „King“: Allein durch die Vorbestellungen gelangt es auf Platz eins der Charts und erreicht innerhalb von 24 Stunden Goldstatus und nach vier Wochen Platin. Bis heute ist Kollegah der einzige deutsche Künstler, der es je auf Platz eins der internationalen Spotify-Charts schaffte.

Fragt man Omerbegovic heute, warum Selfmade nach so langer Durststrecke noch derart erfolgreich wurde, sagt er: „Das lässt sich durch Kohorten erklären. 2010 war Deutsch-Rap eben kein großes Ding, dann kam eine neue Generation, und die fanden das plötzlich total geil.“ Aber noch etwas anderes passierte: „Social Media wurde groß“, sagt er. „Das haben wir wohl schneller verstanden als andere.“

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